Returnal
Und täglich grüßt das Alien
Die Playstation 5 ist ja nun schon eine ganze Weile auf dem Markt – genauer: Fast ein halbes Jahr – aber mit den Exklusivtiteln sah es bisher ja wirklich extrem mau aus. Ok, da war das Remake zu Demons Souls, das nette Astro’s Playroom, der Sackboy oder die Destruction Allstars. Alles ganz nett, aber nichts, was irgendwie in die Nähe eines exklusivem Triple-A-Abenteuers kommt. Das hat jetzt das finnische Studio Housemarque abgeliefert. Die hatten mit Games wie Dead Nation, Alienation oder Matterfall zwar schon bewiesen, dass sie es Twinstick-actiontechnisch drauf haben, in Bezug auf 3D-Triple A, Storytelling oder großer Inszenierung aber noch ein ziemlich unbeschriebenes Blatt sind. Ob die sich mit Returnal da jetzt nicht verhoben haben? Schauen wir mal.
(Copyright: Housemarque/Sony)
Returnal – was ist das eigentlich?
Returnal als einen simplen Shooter oder Third-Person-Shooter zu bezeichnen, würde doch arg an der Sache vorbeischießen. Um mal im Bild zu bleiben. Es hat vielmehr auch deutliche Rogue-like und Metroidvania-Elemente, verbindet Science-Fiction mit Horror und hat zudem auch einiges an Eigenständigem. Und versucht gar nicht erst, es allen recht und vor allem auch nicht, es allen leicht zu machen. Was ich ihm verdammt hoch anrechne.
(Copyright: Housemarque/Sony)
Die Story
Wie so viele Spiele beginnt auch Returnal mit einem Absturz (mir fallen da auf Anhieb mindestens 10 ein). Genauer: Die US-Astronautin Selene Vassos haut es beim Landeanflug auf den fernen Planeten Fischer 265-I aka Atropos weg. Nach kurzer Ohnmacht stellt sie fest: Gesundheitlich alles ok, aber das Raumschiff ist hinüber. Da hat sie also Zeit genug, sich der Sache zu widmen, weshalb sie eigentlich hier ist: Dem mysteriösen Signal, dem sie gefolgt war.
Der Planet Atropos ist eine dunkle, unwirtliche Welt, voller Anzeichen einer verlassen Zivilisation. So weit, so spooky. Dann aber findet sie die Leiche eines Astronauten. Nicht wirklich ungewöhnlich. Als sie die Leiche aber identifiziert, gibt es eine Überraschung: Das ist sie selber. Wie ist das möglich? Wie kann sie tot sein und gleichzeitig leben? Dann findet sie alte Aufzeichnungen. Aufzeichnungen, die sie anscheinend hinterlassen hat. Wer steckt fest? Und wieso? Und wieso „wenn ich zurückkehre“? War sie schon einmal hier? Und wann soll sie diese Aufzeichnung gemacht haben?
Die Erleuchtung – oder besser: Die erschreckende Erkenntnis kommt ihr erst, als sie feststellt, dass sie doch nicht ganz allein auf Atropos ist. Und das nicht alle Bewohner dort ausgestorben sind. Riesige Vierbeiner mit leuchtenden Tentakeln, gewaltige fledermausartige Wesen und monströse Riesen machen Jagd auf sie. Und ehe man noch sagen kann „Bob ist mein Onkel“ ist man auch schon das erste Mal gestorben. Um dann im Augenblick des Absturzes wieder an Bord des Raumschiffes zu erwachen. Genau – und täglich grüßt das Alien.
(Copyright: Housemarque/Sony)
Wiedergeburt
Nach jedem Ableben geht die Sache von neuem los. Und: Bei jedem Tod verliert man auch einen Großteil seiner Ausrüstung, Verbesserungen und nützlichen Items, nicht aber die Erinnerungen. Es bleiben nur eine einfache Handfeuerwaffe und einige grundlegende Mechaniken, wie zum Beispiel der Teleporter. Alles andere: weg. Und das geht ziemlich an die Nerven. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie lange sind wir überhaupt schon hier? Was geht hier vor sich? Kommen wir jemals hier weg? Und wenn ja: Wie? Und wie oft werden wir noch abstürzen, kämpfen, erkunden, sterben und wieder abstürzen?
(Copyright: Housemarque/Sony)
Von Aliens und Kindheiten
Die Story ist mehrschichtig angelegt, mit diversen Zeit- und Handlungsebenen. Da sind zum einen die ehemaligen geheimnisvollen Bewohner oder Besucher des Planeten, die scheinbar durch eine Katastrophe oder was auch immer ausgerottet oder vertrieben worden waren. Immer wieder stößt Selene da auf Hinterlassenschaften dieser Xenotyp-Spezies. Wie zum Beispiel große Schrifttafeln oder auch eigentümliche Holo-Bildarchive, die Hinweise auf das geben, was auf Atropos einst geschehen war.
Und dann ist da aber auch Selenes eigene Vergangenheit. So findet sie mitten auf diesen erdfernen, unwirtlichen Planeten ihr Elternhaus, zudem tauchen immer wieder Flashbacks aus ihrer Kindheit auf. Was hat das alles mit Atropos und Selenes ewigen Wiedergeburten zu tun? Das ist alles – gerade zu Anfang – ziemlich kryptisch, mit viel Psycho-Horror, vielen Andeutungen und bewussten Unklarheiten. Die aber allesamt geeignet sind, die Spannung hoch und den Spieler bei der Stange zu halten.
(Copyright: Housemarque/Sony)
Sechs Biome sollt ihr sein
Die Spielewelt ist unterteilt in sechs recht unterschiedliche Biome von Dschungel bis Wüste, die wir der Reihe nach bereisen. Um den nächsten freizuschalten, muss der jeweilige Bossgegner der aktuellen Umgebung ausgeschaltet werden, was selten im ersten (oder fünften) Anlauf gelingt. Was dann bedeutet, dass man – wie schon erwähnt – komplett wieder von vorn beginnt, um sich den Weg zum Boss erneut freizukämpfen.
Dabei wird aber die Spielewelt nicht komplett neu generiert, lediglich die Anordnung der Haupt- und Nebenabschnitte wird wieder neu ausgewürfelt, die jeweils durch Tore oder Durchgänge voneinander getrennt sind. Manche von ihnen sind leer, andere mit knallharten Gegnerscharen gefüllt. Die Anordnung ist zufällig; bekommt man also einen Raum mit vielen schweren Gegnern gleich zu Beginn, bevor man sich mit stärkeren Waffen ausrüsten konnte, hat man die Arschkarte und findet sich schnell beim nächsten Absturz wieder.
(Copyright: Housemarque/Sony)
Level me Up, Scotty
Neben den Alien-Gegnern findet ihr auch immer wieder Möglichkeiten, euch und eure Ausrüstung upzugraden. Was aber oft eine zweischneidige Sache ist. Da sind zum Beispiel „verdorbene“ Truhen, die eventuell eine krasse Anzug-Fehlfunktion auslösen können, wenn wir sie öffnen, vermeintliche Heil-Items können uns auch schaden und die hilfreichen Parasiten, die wir uns an den Arm hängen können, haben immer auch gleichzeitig schädliche Nebenwirkungen. Zwar geht das meiste davon, aber nicht alles beim nächsten Neustart verloren. So bleibt mir zum Beispiel das irgendwann gefundene Schwert, das ich zum Nahkampf ebenso einsetzen kann wie zum Zerstören von Energiebarrieren, ebenso erhalten wie der Einsatz von Teleportern oder die stetig anwachsende Datenbank.
Da gilt es dann, jeden Raum, jeden Abschnitt vorsichtig zu erkunden, um die für den Bosskampf dringend benötigten Upgrades nach und nach zu sammeln – und jedes Mal zu überlegen, ob es das Risiko wert ist, die nächste Kiste zu öffnen oder den nächsten Fabrikator in Betrieb zu nehmen. Wenn man richtig Glück hat, gibt’s sogar ein Extra-Leben – der Hauptgewinn. Für besagte Fabrikatoren benötige ich allerdings Obolith, das ich unterwegs sammeln kann, wie auch das Adrenalin und den Äther – eine weitere Währung im Spiel, den wir zum Beispiel zum Reinigen verseuchter Truhen brauchen. Sammeln, erkunden, upgraden – das hört sich ja eigentlich recht entspannt an, aber da sind ja auch noch die gnadenlosen Gegner.
(Copyright: Housemarque/Sony)
Fight!
Die muss man dann jeweils erst einmal genau studieren, um eine Taktik zu entwickeln. Ausweichen, mit Schubdüsen aka Dash weggleiten, Nahkampf oder Fernkampf? Auch hier ist Vorsicht angesagt: Einmal falsch entschieden und… na ja, ihr wisst schon.
Da helfen die präzise Steuerung und das gute Waffengefühl, die Kämpfe machen wirklich richtig Laune. Das akustische und optische Waffen- und Trefferfeedback – auch über den DualSense Controller – sind fast perfekt, so dass man mit der Zeit tatsächlich immer besser wird. Das muss man auch, denn den Schwierigkeitsgrad kann man nicht mal eben runterregeln – es gibt nur einen. Und auch Abspeichern vor schwierigen Stellen geht nicht, weil es gar keine Speicheroption gibt.
(Copyright: Housemarque/Sony)
NextGen-Technik
Es ist dieses Gefühl, bei jedem Durchgang ein klein wenig besser zu werden, das uns die Flinte nicht ins Korn werfen lässt, wenn wir nach einem zweistündigen Durchgang wieder mal auf Anfang gesetzt werden. Das und die wirklich großartige Technik, die hinter Returnal steckt. Großartige Partikeleffekte und gewaltige Explosionen begleiten die Action, die in 60 Bildern und flüssigem 4K über den Schirm rast und der die detaillierte, geheimnisvolle Alien-Atmo-Spielewelt mit der fantastisch animierten Flora und Fauna als Kulisse dient.
(Copyright: Housemarque/Sony)
Fazit
Returnal verzeiht keine Fehler, ist stellenweise durchaus auch schon mal unfair und hat weder verschiedene Schwierigkeitsgrade oder eine Speicherfunktion – und dazu einige Logiklöcher und Balancingprobleme. Trotzdem: Ist es zu schwer, bist du zu schwach und gehst eben wieder zurück auf Los. Es ist ein Spiel, das man oft verflucht, aber das auch gleichzeitig fasziniert, ein knallhartes Rogue-like, an dem selbst Profis scheitern können, bei dem sich Frust und Spielspaß die Klinke in die Hand geben. Mit anderen Worten: Ein klasse Game.
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