Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen Tokio 2020
Knapp am Podest vorbei
Nach Peking 2008, London 2012 und Rio 2016 fahren Mario & Sonic nun schon zum vierten Mal gemeinsam zu den olympischen Sommerspielen. Und haben mit dem Titel „Mario & Sonic bei den Olympischen Sommerspielen Tokio 2020“ auf jeden Fall schon mal den ersten Rekord sicher - nämlich den für den längsten Spieletitel des Jahres. Hinzu kommen mit Vancouver 2010 und Sotschi 2014 noch zwei Ausflüge zu den olympischen Winterspielen. 2018 dann pausierte das Gemeinschaftsprojekt von Sony und Nintendo - Pyeongchang stand nicht auf der Releaseliste. Eigentlich Zeit genug also, um die Reihe in Tokio 2020 dann mit vielen frischen Ideen so richtig glänzen zu lassen. Hat man die dann auch genutzt? Oder gibt’s ein „same procedure as every year“?
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Die Spielmodi: Das schnelle Spiel
Ganz oben steht das „Schnelle Spiel“. Das könnt Ihr entweder alleine oder mit bis zu drei Mitspielern austragen. Dabei ist der Name durchaus wörtlich zu nehmen: Ihr sucht Euch eine Disziplin aus, bestimmt einen Athleten aus dem Pool von 20 Nintendo/Sega-Figuren, und los geht’s. Die meisten der Minigames sind nach wenigen Sekunden schon wieder vorbei. Wenn’s gut lief, gibt’s noch eine Zeitlupenwiederholung und eine knappe Siegerehrung mit Treppchen und einer Handvoll Konfetti - das war dann auch schon alles.
Keine Möglichkeit, sich einen Schwung an Disziplinen zu seinen persönlichen Olympischen Spielen zusammenzustellen, kein Sammeln von Medaillen, keine Wettkämpfe über mehrere Tage, kein Medaillenspiegel - wo bleibt da der olympische Spirit? Kein Spur von den erbitterten Sofa-Fights eines Mario-Karts. Da hat man eine große Chance vertan.
Tatsächlich: ein Storymodus
Erstmal: Respekt, dass man sich da die Mühe gemacht hat, den in einem Sportspiel einzubauen. Die Geschichte dahinter ist zudem Nintendo-untypisch ganz reizvoll. Schon deshalb, weil ausnahmsweise nicht Peach von Bowser entführt wurde. Stattdessen bedient man sich der Tatsache, dass 1964 ja schon einmal Olympische Spiele in Tokio stattfanden - die Älteren erinnern sich vielleicht noch. Ok, die sehr viel älteren.
Weshalb dann Bowser und Dr. Eggman eine Zeitmaschine in Form einer alten Spielekonsole basteln, um Mario und Sonic zurück nach 1964 zu schicken. Blöd, wie die beiden sind, landen sie aber ebenfalls da. Also versuchen die Freunde in der Gegenwart, das Problem sportlich zu lösen, während die Teilreisenden daran in den historischen Spielstätten arbeiten. Wie gesagt: Ein ziemlich origineller Plot.
Der zudem auch technisch höchst ansprechend umgesetzt wurde: Die 1964er-Version von Tokio kommt mit bestem 8-Bit Pixel-Look inklusive zuschaltbarem Analog-TV-Effekt - und Soundchipgedudel - Retro-Fans laufen dabei Tränen der Rührung über das Gesicht. Daumen hoch für diese Idee.
Blöd daran ist aber, dass die Story extrem Dialoglastig ist. Und sich der federführende Entwickler Sega dabei auf das rostige Nintendo-Gleis begibt. Wir erinnern uns mit Schrecken: Dialoge in Nintendo-Games bestehen aus viel Text, ein paar nervigen Geräuschen und das alles ohne eine Chance, die meist völlig sinnfreien Gespräche zu überspringen; nur etwas beschleunigen kann man sie. Aber selbst dann vergehen zu Storybeginn fast sieben Minuten, bis man endlich mal selber die Kontrolle über eine der Figuren hat. Das sind sieben Minuten komplett verplemperte Lebenszeit. Danke dafür.
Warum vertont Ihr das nicht einfach mal? Machen andere doch auch. Eigentlich alle. Weil - Kinder sind mit derartigen Textwüsten überfordert, während ältere Spieler keinen Bock auf die kindlichen Dialoge haben. Es soll ja bereits erste Wetten bei englischen Buchmachern geben, was zuerst kommt: Die Fertigstellung des Berliner Flughafens oder synchronisierte Mario-Dialoge. Aber ok, genug rumgeheult - davon abgesehen ist der Story-Modus ja wirklich eine nette Sache.
Und sonst so? Lokaler Modus und Online-Modus
Gibt’s sonst noch Spielmodi. Jo, zum einen den „Lokalen Modus“, wo Ihr mehrere Switches lokal vernetzen und zusammen spielen könnt, und den Online-Modus. Da finden sich dann Freie Spiele und Spiele mit Ranglisten. Aber auch nur dann, wenn ihr eine Mitgliedschaft für Nintendo Switch Online vorweisen könnt. Wenn nicht, heißt es „Du kommst hier nicht rein!“
Wie eingangs erwähnt: Das ist alles an Spielmodi, Turniere oder komplette Wettkämpfe finden nicht statt.
Die Disziplinen
Statt uns aufzuregen, schauen wir uns lieber mal die Disziplinen genauer an. Insgesamt 34 Disziplinen sind am Start: 21 „normale“ in 16-Bit, drei Traum-Disziplinen und 10 Retro-Wettkämpfe in 8-Bit. Vier Disziplinen sind komplett neu im Sportprogramm von Mario & Sonic, nämlich Sportklettern, Karate, Skateboard und Fußball. Dazu kommen dann die üblichen Verdächtigen aus der Leichtathletik von 100m über Speerwerfen bis zum Dreisprung, einige stark vereinfachte Mannschaftssportarten - dazu gehören das schon bekannte 7er-Rugby oder eben Fußball, dann die Sportspielstandards wie Schwimmen, Turnen oder Tischtennis, aber auch Exoten wie Badminton, Surfen oder Kanu.
Einige Disziplinen gibt es nur im Retro-Modus - wie Turmspringen, Judo oder das erstaunlich gut gelungene Marathon. Das zwar nun keine drei Stunden, sondern nur gut 3 Minuten dauert, aber mit einigen netten Features wie Windschatten laufen, Stolpergefahr, Wasseraufnahme, diversen Hindernissen wie Pfützen oder Bienen und Zwischensprints aufwarten kann.
Die 10 Retro-Disziplinen erreicht Ihr nicht nur in der Story, sondern auch einzeln im Modus „Schnelles Spiel“. Wo sie mit ihrer schicken Retro-Optik und der passenden Musik für viel Abwechslung sorgen. Außerdem gibt’s nur im Retro-Style auch einen passenden, launigen Kommentator - na bitte, geht doch, bitte mehr davon.
Schuldig bin ich euch noch die Traum-Disziplinen Karate, Sportschießen und Laufen, gut gemachte Fantasy-Disziplinen, die dann auch etwas länger dauern, mit Olympia selber aber nix zu tun haben. Rennen Traum zum Beispiel ist ein Mix aus Future-Skate-Board, Mario Kart und Sonic mit Ringe Sammeln.
Die Steuerung
Steuern könnt ihr entweder ganz klassisch mit Knöpfen oder mit den JoyCons in der Hand mittels Bewegungssteuerung. Was aber in den meisten Fällen keine gute Idee ist - das mit den Knöpfen ist genauer und macht mehr Spaß. In einigen Disziplinen - wie z.B. Speerwerfen - müsst ihr zusätzlich zu den Buttons auch die Switch im richtigen Winkel für den perfekten Abwurf neigen.
Fazit
Die Disziplinen selber sind gut spielbar und machen Laune, auch und vor allem der 8-Bit-Modus kommt gut an - zumindest bei alten Säcken aus der Seniorenzocker-Liga, zu denen ich mich auch zählen darf. Leider fehlt es „Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen Tokio 2020“ an Tempo, weil es zwischen den Wettkämpfen zu viel Leerlauf gibt, weil die langen Dialoge nerven und es zudem auch keine Turniere gibt - was den Motivationspegel letztendlich nach unten drückt. Wirklich kein schlechtes Spiel, aber eben eines, das mit wenig Aufwand noch viel besser hätte werden können.