Deathloop
Jeden Morgen mit dickem Kopp am Strand aufwachen...
Was von den Arkane Studios kommt, ist a) immer etwas ungewöhnlich und b) immer gut. Man denke nur an Bioshock, Prey oder die Dishonored-Reihe. Und jetzt also Deathloop. Von dem die Entwickler selber sagen, es sei ein seltsames Spiel. Ja, unterschreibe ich so. Vor allem in den ersten Stunden hat man Null Plan, wohin die Sache führen soll, worum es eigentlich geht, welches Genre das sein soll und warum der Kaffee immer genau dann alle ist, wenn ich am dringendsten einen brauche. Aber dann… ja dann was eigentlich? Das verrate ich euch, wenn ihr noch ein paar Minuten dabei bleibt. Deal? Ok, los.
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Ballermann-Feeling
Morgens mit nem fetten Kater am Strand aufzuwachen, gehört bei Ballermann-Touristen ja zum guten Ton, ist aber unserem Helden eher fremd. Der sich erst einmal an rein gar nichts erinnern kann. Wer bin ich, wo bin ich und wenn ja wie viele und vor allem: Ich sollte weniger saufen. Nun sind gute Vorsätze sind ja wirklich lobenswert, hier aber nicht sonderlich zielführend. Eine nahe gelegene Behausung – na ja, eher ein paar in den Fels geschlagene Tunnel und Räume – wirft nur neue Fragen auf. Wohne ich hier wirklich? Ein paar Puzzleteile lassen sich finden – zum Beispiel der Name der Insel, auf der wir uns befinden, Black Reef.
Ok, vielleicht finde ich draußen ja ein paar Hinweise. Aber der Ausgang ist von innen mit einem Code gesichert. Und natürlich: Ich kann mich an keinen Code erinnern. Immerhin stoße ich irgendwann auf meinen Namen: Colt. Und dann meldet sich eine Stimme über das Funkgerät. Die Frau aus dem Alptraum, bevor ich am Strand erwacht bin. Der Traum, in dem sie mich umgebracht hat. Oder war das gar kein Traum?
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Julianna, ein Loop und viele Fragen
Ok, fassen wir zusammen: Ich heiße Colt, sitze auf einer Insel namens Black Reef fest, eine Frau namens Julianna will mich töten bzw. hat es wohl schon des Öfteren getan (übrigens wollen mich auch alle anderen hier auf der Insel töten, wie ich bald feststellen werde) und wenn ich es nicht schaffe, die Zeitschleife aka Loop zu durchbrechen, werde ich diesen Tag auf ewig durchleben. Die Frage ist nur: Wie durchbreche ich diesen Loop? Und wie kommt der überhaupt zustande. Diese Fragen werden uns erst einmal die nächsten Stunden beschäftigen, bevor wir uns dann daran machen können, die Sache zu lösen.
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Kein Open World-Game wie alle anderen
Nun ist Deathloop kein Open World Spiel wie alle anderen. Um die Eigenarten zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen – holt ich also ruhig eben einen Kaffee, ich warte so lange. Wieder zurück? Also: Es gibt vier offen Gebiete: Das kleine Städtchen Updaam mit der zentralen Bibliothek und dem Anwesen, die Forschungsanlage „Der Komplex“, das Hafenviertel „Karlsbucht“ mit seinem Vergnügungsviertel und Fristad Rock mit seinen Bunkern, Sendemasten und dem Militärschrott. Rundherum Eismeer, Felsen, Ödland.
Dazu kommen die vier Zeitabschnitte morgens, mittags, nachmittags und abends. Ihr könnt in jedem Zeitabschnitt eine Location besuchen und dort so lange bleiben wie ihr wollt. Wenn ihr es heile zurück in euer Quartier schafft, könnt ihr die nächste Expedition starten, andere Tageszeit, andere Location. Werdet ihr aber 3x in einem Abschnitt getötet, beginnt ihr wieder morgens am Strand. Die ersten beiden Male respawned ihr in der Nähe eures Kills, beim dritten Mal ist aber wie gesagt Schicht. Anfangs verliert ihr dabei auch eure Ausrüstung, nicht aber das Wissen, das ihr gesammelt habt. Gleiches gilt, wenn ihr alle vier Tageszeiten hinter euch gebracht habt: Auch dann geht’s wieder am Strand von vorne los, der Loop startet wieder neu.
Aber keine Sorge: Seid ihr nämlich ein Stückchen weiter im Spiel, dann könnt ihr eure Ausrüstung über euren zwischenzeitlich Tod haltbar machen. Dazu müsst ihr zur richtigen Zeit im Komplex sein und das Geheimnis von Residuum erforschen. Das könnt ihr dann anschließend überall im Spiel einsammeln und zur Konservierung einsetzen.
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Wer looped denn da? Und was sind Visionäre?
Euer Ziel ist es anfangs – wie schon gesagt – erst einmal herauszubekommen, was hinter dem Loop steckt und wie ihr ihn durchbrechen könnt. Was einige Stunden dauert. Tipp: Die Lösung liegt im Tresor eurer alten Wohnung in Updaam. Den ihr aber auch nur zur richtigen Tageszeit öffnen könnt – und nachdem ihr den Code herausgefunden habt. Heißt: Ihr müsst alle acht Visionäre an einem einzigen Tag erledigen, um den Loop zu brechen. Was jetzt genau Visionäre sind und warum die getötet werden müssen – das würde hier zu weit führen, und außerdem will ich ja nun auch nicht alles vorher verraten.
Ihr müsst also die vier Abschnitte erforschen, nach Hinweisen absuchen, schauen, welcher Visionär wann wo ist, wie er bewacht wird, welche Eigenarten und Marotten er hat und so weiter. Der eine veranstaltet abends eine Kostümparty mit Wolfsmasken, eine andere hält morgens gerne große Reden, die dritte hat sich in einem Bunker verschanzt und droht die ganze Insel zu sprengen, wenn sie angegriffen wird. Nach und nach setzt sich so das Puzzle zusammen. Wenn man sich nicht zu blöd anstellt und etwas Kombinationsgabe besitzt.
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Sammeln und Freiheiten
Außerdem müsst ihr euch weiter aufrüsten: Bessere Sachen sammeln, Extras zur Verstärkung der Ausrüstung, Siegel für die Waffen, Spezialfähigkeiten der Visionäre und Residuum, um euren Kram auch am nächsten Tag noch nutzen zu können. So ein Ausflug kann dann schon mal dauern, bis ihr wieder eure rettendes Quartier erreicht – anderthalb bis zwei Stunden sind da die Regel. Und zwischendurch speichern und morgen weitermachen geht nicht.
Arkane typisch habt ihr spielerisch eine Menge Freiheiten. Ihr könnt an den Wachen vorbeischleichen, später auch Extra-Fähigkeiten wie Teleport dafür nutzen oder die Gegner ablenken und sie dann hinterrücks meucheln. Oder ihr setzt auf die rabiate Methode und ballert euch den Weg frei. Wobei ihr dabei aber zum Beispiel auch tragbare gegnerische Geschütztürme hacken und übernehmen könnt. Oder ihr nutzt den Unsichtbarkeitszauber, wenn ihr den schon habt. Oder, oder, oder…
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Oh Julianna(s)
Eine Widersacherin der besonderen Art ist Julianna, die mit mächtigen Fähigkeiten ausgestattet ist. Die wird entweder von der KI, oder – wenn ihr das gestattet – von einem anderen Spieler gesteuert. „Invasion“ nennt sich das. Ist ganz lustig, wenn man entsprechend hochgelevelt ist, bzw. ziemlich nervig, wenn man es nicht ist, weil man dann wirklich null Chance hat. Und in jedem Fall nervig ist es, wenn man gerade stundenlang das perfekte Attentat vorbereitet hat und dann plötzlich Julianna an der Hacke hat. Zum Glück kann man sein Spiel auch auf Offline stellen, so dass man sich nur noch hin und wieder mit den KI-Juliannas herumschlagen muss.
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Kein Soulslike
Das Ding mit der Zeitschleife, dem ständigen Sterben und der fehlenden Schnellspeicherfunktion vermittelt jetzt vielleicht den Eindruck, es hier mit einem Soulslike-Game zu tun zu haben, aber Deathloop ist da zum Glück lange nicht so heftig. Wenn ihr da vorsichtig vorgeht, nicht blind in jeden Hinterhalt lauft, eure Gesundheit immer oben behaltet und auch mal eine Mission abbrecht, um eure Gimmick-Fundstücke zu behalten, dann ist das eigentlich eher easy going. Munition, Perks, Gimmicks, starke Waffen und Medpacks für die Regeneration liegen an jeder Straßenecke – und die Gegner KI ist jetzt auch nicht erschlagend gut. Verfolgungen werden nach kurzer Zeit wieder abgebrochen, so dass man da ganz locker entkommen kann.
Vor allem, wenn man auf zu viel Schleicherei verzichtet. Klar, kann man machen, dann ist der Nervenkitzel auch höher. Aber ich für meinen Teil stelle lieber zwei Geschütztürme an strategisch wichtigen Punkten auf, sniper den Rest weg und räume einen Abschnitt ab, den ich dann anschließend als sichere Komfortzone nutzen kann, weil keine Gegner aus anderen Straßenzügen oder Gebäuden nachrücken.
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Kein 1A-Shooter
Auch wenn das Waffenarsenal recht groß ist, solltet ihr hier aber keinen 1A-Shooter erwarten, dazu ist die Shootermechanik doch etwas zu grobschlächtig – Spaß machts aber in jedem Fall. Sogar Ladehemmungen gibt’s mitunter, die Colt dann fluchend mitten im Gefecht behebt. Und hat er dann mal eine neue Waffe gefunden, so überlegt er gerne stundenlang, wie er sein neues Baby nennen soll. Kamerad Kaliber? Mister Kill? Colt Junior?
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Viel zu entdecken und die Sixties
Da der Schwierigkeitsgrad nicht allzu hoch ist (zumindest über lange Strecken nicht) kann man eigentlich recht entspannt die Level erkunden, die tatsächlich so einiges zu bieten haben. Na, deshalb sage ich es doch jetzt. Da gibt’s Abkürzungen, Schleichwege, begehbare Häuser oder Tunnelsysteme, und das Beste daran: Je nach gewählter Tageszeit können sich auch wieder neue Wege öffnen. Ein Rolltor, das morgens noch verschlossen war, steht mittags plötzlich halb offen, oder eine Gebäude, das mittags vor Wachen nur so wimmelte, ist abends leer und verlassen. So laufen wir manche Strecken zwar immer wieder ab, aber langweilig wird das deshalb nie.
Dabei entfaltet das Game – das ja in den 60ern spielt – durch seinen Look einen gewissen Retro-Charme und erinnert schwer an das 64er-Bond-Spiel „No One Lives Forever“. Einrichtungsgegenstände, Klamotten, Musik, Tapeten, simple Computer – das ist alles stilsicher und passend. Und auch der Soundtrack passt sich da an – ein überzeugender Auftritt.
Getestet habe ich Deathloop auf der PS5 und konnte somit auch von der schönen Einbeziehung des DualSense Controllers profitieren. Der gibt über Gegnerpräsenz Aufschluss oder sperrt schon mal den Triggerbutton, wenn eine Waffe klemmt – und trägt damit wesentlich zur gelungenen Immersion bei.
(Copyright: Arkane Studios / Bethesda)
Fazit
Deathloop hat mich mit seinem ungewöhnlichen Zeitschleifenansatz gepackt – zugegeben aber erst, nachdem ich die ersten etwas zähen Stunden hinter mir hatte. Dann aber wollte ich gar nicht mehr aufhören. Ständig gibt es was neues zu entdecken, finde ich neue Story-Puzzleteile, alternative Lösungswege oder neue abgefahrene Waffen und Fähigkeiten. Selbst nach dem letzten Loop gibt es noch eine Menge, das ich noch ausprobieren will. Oder einfach mit Julianna andere Spieler ärgern. Originell, packend, gut, Deathloop.
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