Maquette
Auf die Größe kommt es an...
Erinnert Ihr euch noch an das Spiel „What Remains of Edith Finch?“ Oder an „Outer Wilds“? „Telling Lies“ vielleicht? Solltet Ihr jedenfalls. Denn das sind alles Indie-Games, die der Publisher Annapurna Interactive in den letzten drei Jahren rausgehauen hat. Und die auch durch die Bank wirklich nicht übel waren. Und für das kommende Jahr hat man schon „12 Minutes“ angekündigt, ein vielversprechender Thriller mit Murmeltier-Zeitschleifen-Feature. So lange aber müsst ihr gar nicht warten. Denn mit „Maquette“ liefert der Publisher aktuell nicht nur einen weiteren viel versprechenden Titel ab, sondern spendiert den sogar direkt zum Release kostenlos für alle Playstation Plus-Abonnenten im März. Nun sagt der Volksmund ja – der ja schon viel Unsinn geredet hat, vor allem in den sozialen Netzwerken – also sagt der Volksmund, dass man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen soll, aber ich mache das jetzt trotzdem mal. Kann das Game was? Gute Annapurna-Qualität oder was für den Frühjahrs-Grabbeltisch? Oder irgendwas dazwischen?
(Copyright: Annapurna Interactive)
Maquette – was ist das überhaupt für ein Spiel?
Antwort: Ein 3D-Puzzler mit einem nicht neuen, aber immer noch schönen Kniff: Die Spielewelt gibt’s nämlich gleich zwei Mal. Einmal in Normalgröße und dann noch einmal mittendrin als Modell in verkleinerter Form. Als „Maquette“ also. Das ist nämlich Französisch und heißt „Modell“. Kompliziert? Nein, eigentlich nicht. Schon deshalb nicht, weil die „Spielewelt“ doch recht überschaubar ist: Eine Handvoll Gebäude gruppieren sich um einen Pavillon in der Mitte, in dem das Ganze dann noch einmal als Miniatur aufgebaut ist. Eine Welt in zwei Dimensionen. Jetzt klarer?
(Copyright: Annapurna Interactive)
Auf die Größe kommt es an. Und ein wenig aufs Aussehen.
Warum das ganze? Nun, sagen wir mal, da liegt euch ein großer Steinblock im Weg. So sehr Ihr Euch auch bemüht und dagegen stemmt: Das Ding will sich einfach nicht bewegen. Was macht Ihr also? Richtig, Ihr geht rüber zur Miniaturausgabe (wo ja alles winzig klein ist), wo der Stein auf Streichholschachtelgröße geschrumpft ist, und hebt ihn problemlos auf. Denn: Alles was ihr in der einen Welt macht, passiert auch in der anderen.
Anderes Beispiel: Ihr braucht eine Brücke, um einen kleinen Abgrund zu überwinden, habt aber nur einen Schlüssel in der Tasche. Kein Problem – geht rüber zur Miniausgabe, und legt den kleinen Schlüssel einfach quer zwischen zwei Pfeiler. Geht ihr dann zurück in die Normalausgabe, könnt ihr dann über den Schlüssel laufen. Wie gesagt: Ist nicht ganz frisch die Idee, gab es auch schon in einigen anderen Games wie A Fishermans Tale oder Superliminal, ihr wisst schon, aber trotzdem: Immer wieder gut.
Vor allem, weil in Maquette mit der Zeit noch ein paar neue kleine Tricks hinzukommen. Da gibt es dann magische, farbcodierte Tore, die ihr nur mit dem farbig-passenden Schlüssel passieren dürft – oder ihr könnt durch die Dimensions-Wanderei zum Beispiel auch eure eigene Größe verändern und erreicht damit dann Orte, die vorher noch unzugänglich waren.
(Copyright: Annapurna Interactive)
Toll. Ne Beziehungskiste.
Nun haben sich die Entwickler von Graceful Decay aus Kalifornien aber wohl gedacht „Nee, das ist alles noch ein bisschen dünn und kurz, da packen wir noch eine Story drauf.“ Genauer: Eine Beziehungskiste. Da geht’s um Kenzie und Michael – übrigens wunderbar vertont mit den Stimmen von Bryce Dallas Howard (die kennt ihr vielleicht aus Filmen wie Jurassic World oder Rocketman) und Seth Gabel, der in Serien wie Fringe, Salem oder American Horror Story mitgespielt hat. Übrigens sind die beiden in Real Life auch ein Paar.
Die Stimmen sind dann auch das einzige, was wir von ihnen mitbekommen. Die Stimmen und Gedanken als Texte, die in der Luft schweben. Aber als Figuren tauchen die beiden nicht auf. Was ja auch kein Drama ist, die beiden Voice Actors leisten da ganze Arbeit und geben eurer Fantasie Futter.
So sind wir hautnah dabei, bei der Lovestory, die sich da zwischen den beiden entspinnt. Die erste Einladung bei ihr, der gemeinsame Besuch auf dem Rummel, das Teilen von kleinen Geheimnissen, die ersten vorsichtigen Annäherungsversuche und schließlich das „I love you“. Die beiden ziehen zusammen, der Alltag zieht mit ein und irgendwann beginnen sie, sich immer öfter aus dem Weg zu gehen – kennen wir ja alle. Am Ende wirds dann laut und unschön.
(Copyright: Annapurna Interactive)
Die Technik spielt mit
All das findet auch immer wieder seinen Widerhall in der schönen Game-Optik. Anfangs bunte Pastellfarben, ein bisschen Kinderbuchstyle mit ein wenig Kinderzimmer-Spielzeug-Attitüde, ohne den Versuch, sonderlich realistisch auszusehen, aber doch eben richtig hübsch anzusehen. Aber die bekommt mit der Zeit Risse, wird dunkler, die Gärten verwahrlosen – das ist gelungen. Und auch beim sehr abwechslungsreiche Soundtrack, der die Stimmung der jeweiligen Szenen perfekt untermalt, hatte man ein glückliches Händchen.
(Copyright: Annapurna Interactive)
Das große ABER
Ihr merkt es vielleicht, über all dem schwebt jedoch ein großes „ABER“. Bzw. gleich mehrere. Beginnen wir mit den Rätseln: Die sind mit der Dimensionsproblematik ja grundsätzlich nicht schlecht und oft auch recht kreativ angelegt, lassen mich aber gern auch mal in der Luft hängen oder führen heimlich neue Mechaniken ein, ohne die zu erklären, so dass ich mich – obwohl die Spielewelt ja nun echt winzig ist – immer wieder fragte: „Ja und jetzt? Was willst Du von mir?“ Außerdem gibt’s da tatsächlich auch einige Sackgassen, aus denen man nur durch das Laden des letzten Spielstandes wieder rauskommt. Das muss doch echt nicht sein, gab es da kein Betatesting?
Dann die Lovestory von Kenzie und Michael. Ja, die ist wirklich schön – sofern man auf eine Portion Kitsch und Klischees steht, aber irgendwie will das nicht wirklich zu dem Rätselteil passen, die beiden Sachen laufen nebeneinanderher, ohne vollends zu harmonieren. Das scheint manchmal so, als würde man zwei komplett unterschiedliche Games spielen.
So war ich am Anfang noch sehr angetan von Maquette, aber je länger das Game dauerte, je öfter ich mal wieder fest hing und gefühlt stundenlang rumprobierte, um am Ende mal wieder eher zufällig über eine ziemliche abstruse Lösung des Problems zu stolpern, desto mehr sehnte ich irgendwann das Ende herbei. So wie Kenzie und Michael.
(Copyright: Annapurna Interactive)
Fazit
Aber gut, Maquette hat ein paar schöne Ideen, ist technisch ansehnlich und die kleine Story nebenher will zwar nicht recht passen, unterhält aber leidlich gut. Wenn ihr also Geduld genug habt, euch durch die oft guten, aber manchmal eben auch unfairen Rätsel zu schlagen, dann schaut es euch ruhig mal an. Playstation Plus Abonnenten sowieso, denn die bekommen es ja für lau.
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