Review 200922 Crysis Remastered

Crysis Remastered

Früher war alles besser. Irgendwie.

Nomad ist zurück. Der coole Typ aus US-Spezialeinheit Raptor, der es 2007 im Shooter Crysis im Hightech-Nanosuit mit Nordkoreanern und Aliens gleichzeitig aufnahm. Es war zu der Zeit eins der besten deutschen Triple A Games, mit einem Metacritic-Level von 91. Da war es naheliegend, dass irgendwann mal eine wie auch immer geartete Neuauflage kommen musste. Nach der mobilen Switch-Version im Juli ist also jetzt auch das „Crysis Remastered“ für PS4, Xbox One und PC erschienen. Aber kann man einem 13 Jahre alten Game tatsächlich noch mal Leben einhauchen. Ein Game, das noch unter Windows XP, auf der PS3 und auf der Xbox 360 lief? Klar, spielerisch war das damals eine ganz große Nummer, zudem ein grafischer Benchmarktest, aber inzwischen gibt’s hunderte Games, die in eine ähnliche Kerbe schlagen. Heißt: Brauchen wird das echt noch mal? Und: Kann das immer noch was?

(Copyright: Crytek)
Vorab

Da ich heute dann auch die Leute begrüßen darf, die vor 13 Jahren noch nicht die elterliche Erlaubnis hatten, so böse Sachen wie einen Shooter zu spielen, gibt’s zum Einstieg erst mal ein „Worum geht’s bei Crysis überhaupt? Und, ach ja, bevor ich es vergesse: Ja, ich habe das Original damals gespielt und das Remastered jetzt auf einer PS4 Pro getestet. Das nur vorab, bevor ich später dann was zur Grafik sage. Jetzt aber zur Story.


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B-Movie Story

Schauplatz ist eine fiktive tropische Insel im Ostchinesischen Meer.  Die ist von nordkoreanischen Truppen überrannt und besetzt worden. Was eigentlich kaum jemanden kratzen dürfte, doch war zum Zeitpunkt der Invasion auch ein amerikanisches Archäologen Team da zugange, das dann prompt in die Hände vom Kim-Jong-uns schießwütigen Jungs fiel. Was dann wiederum eine Einheit der US-Special Forces auf den Plan rief, die ausrückten, um die Artefakt-Buddler zu befreien. Das dürfte ja so schwer nicht sein. Eben kurz reinschleichen, Leute befreien und Abmarsch. So der Plan.

Aber zuerst einmal ist natürlich eh nicht alles so easy wie gedacht. Was zum einen daran liegt, dass wirklich verdammt viele Nordkoreaner hier rumwuseln, zum anderen aber auch daran, dass die nicht die einzige Bedrohung im sonnigen Paradies sind. Was den Special Forces klar wird, als die ersten beiden Jungs bestialisch aufgeschlitzt in den Bäumen hängen und aus dem Quintett ein Trio wird. Und dann verschwindet auch noch ein Dritter. Im Fußvolk rumort es: Verheimlicht der Anführer irgendwas?

To make a long story short: Auf der Insel sind nicht nur Aliens, sondern auch deren 1a Technologien, die sich wiederum der nordkoreanische General Kyong unter den Nagel reißen will, um seinem Land die Weltherrschaft zu sichern. Nachdem der nach zähem Kampf ausgeschaltet ist, schockfrosten die Aliens das tropische Eiland mit -130 Grad, so dass alle, die nicht bei drei im Nanosuit sind, als Fischstäbchen Karriere machen. Ab da wird’s dann komplett Independence Day mäßig größenwahnsinnig. Flugzeugträger, fette Alien-Raumschiffe und ein Atomschlag sind nur drei Stichworte, die sachte andeuten, was euch im Finale erwartet. Das übrigens dann mit einem Cliffhanger endet, weil – es folgen ja noch zwei Fortsetzungen. Aber das hattet ihr euch vermutlich eh schon gedacht.

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Der Held im Nanosuit

Ihr steuert nun nicht die ganze Einheit – von der ihr die meiste Zeit eh kaum was seht – sondern einen einzelnen Soldaten namens Nomad, und zwar aus der Ego-Perspektive. Der steckt zum Glück in einem Nanosuit, einem speziellen Kampfanzug. Der macht euch nicht nur superschnell, sondern verleiht auch Superkräfte, sorgt für einen gediegenen Rundumschutz und macht euch sogar unsichtbar. Allerdings gibt’s da ein paar kleine Haken: Es geht immer nur eins der Feature – also unsichtbar rennen ist nicht – und das alles verbraucht auch eine Menge Saft. Ist der alle, sind einige Sekunden Regeneration angesagt, in denen ihr so ziemlich schutzlos seid.
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Deshalb rockte Crysis früher

Soweit also die Grundlagen von Crysis. Spielerisch war das damals unter anderem der Burner, weil es euch doch tatsächlich einiges an Freiheiten zugesteht. Zum einen nervte das nicht mit den damals üblichen Schlauchleveln, zum anderen dürft ihr entscheiden, ob ihr lieber den Rambo macht oder auf (relativ) leisen Sohlen ans Ziel kommt. Ist heute kein großes Ding mehr, aber damals wie gesagt schon erwähnenswert.

Und auch sonst wart ihr an der langen Leine: So könnt ihr zum Beispiel die Waffen – von denen es so einiges gibt – munter modifizieren, mit Schalldämpfer, Zielfernrohren, Scheinwerfern und so weiter. Später kommen dann auch noch Aufsätze für Betäubungspfeile hinzu. Und schließlich dürft ihr auch Fahrzeuge zu Wasser, zu Land und in der Luft steuern. Ok, die Steuerung ist dabei eher eine Spongebob-Gedächtnis-Veranstaltung, aber immerhin: Die Möglichkeit besteht. Wir notieren also auf der Habenseite: Spielerische Freiheit und viele Möglichkeiten. Punkt.


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Und das nervt heute daran

Aber nicht alles war gut. Die Missionen? Die waren schon damals ziemlich lame, daran hat sich nichts geändert. Schalte den Störsender aus, schalte noch einen Störsender aus, erobere das feindliche Lager und ach ja, schalte einen Störsender aus. Was dann auch in der xten Wiederholung nicht besser wird. Und dass dann hinter jeder Wegbiegung ein Trupp Koreaner lauerte, muss ich vermutlich gar nicht mehr erwähnen. So kann man dann auch zusätzliche Spielzeit in ein Game pumpen.

Überhaupt wurde auch eine Menge Schrott – der damals noch nicht so ins Gewicht fiel – aus der guten alten Zeit mitgeschleppt. Munition muss von Hand aufgesammelt werden, der Waffenumbau funktioniert nur beidhändig, so dass ich in der Zeit nicht mal mehr laufen kann, und bei den Checkpoints friert regelmäßig der Bildschirm kurz ein. Auf einer PS4 Pro! Abgesehen davon, dass die manchmal auch komplett schwachsinnig gesetzt sind und mich mitten in einer Schar Gegner respawnen lassen. Die wiederum einem dann mit ihrer völlig irren KI auf den Keks gehen. Entweder sehen die einen schon aus einem Kilometer Entfernung (und das im dichtesten Dschungel) und eröffnen schlagartig das Feuer, oder sie stehen gelangweilt in der Gegend rum, während um sie herum geballert wird und warten darauf, endlich erlöst zu werden. Da ist dann eher die Masse das Problem und weniger deren Intelligenz. Mein Favorit ist der Typ, der mit dem Rücken zu mir an einem Busch steht und pinkelt. Dann wieder einpackt, ein paar Sekunden wartet, wieder auspackt und erneut pinkelt. Was sich dann mehrere Male wiederholt. Wie viel Kaffee hat der Mann getrunken? Wo holt der das alles her? Gefangen in einer Pinkelschleife – was für ein hartes Schicksal! 


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Technik, die…hm… nicht so begeistert

Dann also die Grafik. Ich hab mir sagen lassen, dass die auf einem fetten PC auch gut aussieht, mit neuen HD-Texturen, neuem Licht, mehr Details, besserem Wasser, besserer Weitsicht, frisst dabei aber ordentlich Hardware und liefert nicht unbedingt entsprechend. Auf der PS4 Pro fand ich die Optik sogar recht enttäuschend, trotzdem der Voreinstellung „Qualität“. Kantig, grob texturiert, die Botanik zum Teil zweidimensional, mit viel Geflimmer und Geruckel und einigen fetten Bugs. Mehr als einmal bin ich irgendwo ohne Wiederkehr steckengeblieben oder konnte durch Felsen laufen – von schwebenden Panzern ganz zu schweigen.


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Die guten Momente

Trotzdem hat Crysis auch durchaus seine guten Momente. Die Kämpfe mit dem Nanosuit und all seinen irren Möglichkeiten machen zum Beispiel immer noch Laune. Unsichtbar anschleichen, Bämm, dann Supersprung nach oben und von oben mal eben mit der Panzerfaust ganze Gebäude wegknallen, und sich freuen, wenn die physikalisch halbwegs korrekt zusammenkrachen. Oder mit dem MG ein paar Palmen niedermähen, um so eine wirkungsvolle Straßensperre aufzubauen. Ja, das hat schon was, dann fühlt sich Crysis so gut an wie früher. 


(Copyright: Crytek)

Fazit

Vom Remaster hatte ich mir trotzdem etwas mehr erhofft. Dass die Story heutzutage ziemlich B-Movie-mäßig klingt, auch weil sich Crysis da viel zu ernst nimmt: Geschenkt. Dass der Multiplayer gestrichen wurde: Kann ich mit leben. Aber etwas mehr Sorgfalt bei KI, Steuerung und auch Grafik wäre schon schön gewesen. So ist Crysis Remastered ein solider, in die Jahre gekommener Shooter, den auch die aktuelle Schönheitsoperation nicht mehr wirklich jung machen kann.

Game: Crysis Remastered

Genre: Ego-Shooter

Release:  18.09.2020 (PC, PS4, Xbox One, Switch)

Entwickler/Publisher: Crytek / Saber Interactive

USK: ab 16

Sprachausgabe/Texte: Deutsch /Deutsch

Webseite: https://www.crysis.com/

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