Review 201104 Little Hope

The Dark Pictures: Little Hope

Im Sumpf der Klischees

Mit „Until Dawn“ hatte Supermassive 2015 ein schön erzähltes PS4-Horrorspiel abgeliefert. Nicht besonders anspruchsvoll und voller Slasher-Klischees, beschränkte es sich doch meist darauf, den Spieler Entscheidungen treffen zu lassen. Von denen hing es ab, wer von den acht Jugendlichen am Ende überlebt und wer nicht. Nach dem Koop-Thriller „Hidden Agenda“ aus dem Jahr 2017, das per Smartphone gesteuert wird und einigen kleinen VR-Spielereien folgte im letzten Jahr dann mit dem fünfstündigen Horror-Adventure „Man of Medan“ der Auftakt zur Dark Pictures Anthology. Das mit seinen nervigen Helden, technischen Bugs und einer umherirrenden Kamera aber nicht wirklich überzeugte. Das können wir besser, erklärte Supermassive und gelobte Besserung für den nächsten Teil der Reihe. Der ist jetzt unter dem Titel „Little Hope“ erschienen, erneut als eine Art interaktiver Kurzgeschichte mit Gruselgarantie. Haben die Entwickler ihr Versprechen wahr gemacht? Hat Little Hope wirklich die Fehler des Vorgängers ausgemerzt?

(Copyright: Supermassive Games)
Die Story: Heile Welt und Busunglücke

Das Game startet mit einem nächtlichen Polizeieinsatz, irgendwo auf einer Landstraße in den USA. Es hatte einen Unfall gegeben, der Bus mit den vier Studenten – ach nee, Student*innen muss man heute genderkorrekt ja sagen, damit auch ja keiner beleidigt ist, oder auch Studierende… oder Studierend*innen?  Keine Ahnung, ist ja auch egal. Wo war ich? Ach ja, der Bus mit den vier Studierenden und ihrem Professor wird samt Fahrer aufgefordert, einen kleinen Umweg zu fahren. Nun weiß der versierte Horrorfilmspezialist natürlich, dass die Ankündigung „das dauert auch nicht viel länger“ grundsätzlich falsch ist – und dass man in einem Ort, der Little Hope, also „wenig Hoffnung“, heißt, auf alles gefasst sein sollte. Und tatsächlich wird in weniger als einer Stunde jemand sagen „Da sitzen wir nun fest, in Last No Hope!“

Aber was war in der Zwischenzeit geschehen? Nun, zum Beispiel ein Busunglück. Ein seltsam aussehendes kleines Mädchen war plötzlich im Scheinwerferkegel vor dem Bus auf der Straße aufgetaucht. Woraufhin der Busfahrer das Steuer herumriss und es schaffte, den Bus auf die Seite zu schmeißen, der dann noch ein Stück über den dunklen Asphalt rutschte, um schließlich abseits der Straße liegen zu bleiben. Schnitt.

Rückblende in die 70er Jahre. Es ist Abend, die Familie sitzt beisammen und streitet mal wieder. Vater ein Alk, der fürchtet, bald seinen Job zu verlieren, die Kids fetzen sich ständig untereinander, während die Jüngste, Megan, anscheinend schwer einen an der Waffel hat. Die dann am Ende dieser Szene – nachdem sie sich mit ausdruckslosem Gesicht mit einem scheinbar unsichtbaren Typen unterhalten hat, erstmal gepflegt die Küche anzündet, woraufhin das Haus komplett abfackelt und die Familie ebenso komplett und teilweise richtig spektakulär das Zeitliche segnet.


(Copyright: Supermassive Games)
Der Kurator spricht. Und die Figuren leider noch viel mehr.

Erneuter Schnitt, ein Erzähler erscheint. Der Kurator, wie er sich selber nennt. Und den wir ja schon aus dem letzten Teil kennen. Er weiht uns erst mal ein, was uns erwartet. Und macht seine Sache dabei richtig gut. Bis hierhin hat das Game ordentlich Abwechslung und Tempo, dazu Rückblenden und Schnitte an der richtigen Stelle – so kann es weitergehen. Und er macht auch gleich klar, dass ich von ihm keine Hilfe zu erwarten habe.

Wieder Schnitt, zurück in der Gegenwart, wir sind wieder am umgekippten Bus. Wo alle überlebt haben, nur der Busfahrer ist verschwunden.

Was folgt, ist eine elendig lange Diskussion, ob man besser beim Bus bleibt oder sich in Richtung Little Hope aufmacht. Ok, vielleicht nicht stundenlang, aber 15 Minuten sicher. Wir gehen, geht ihr doch, ich bleibe, ich gehe alleine, lasst uns endlich gehen, ich mag den Plan mit der Stadt nicht und so weiter und so weiter. „Geht endlich nach Little Hope, am Ende landet ihr doch eh da, schließlich heißt das Game so!“ Höre ich mich irgendwann verzweifelt rufen. Und spätestens, als eine der Verunfallten (Polizeijargon) beschließt, die anderen machen zu lassen und einfach zu verschwinden und dann nach kurzer Zeit doch wieder auftaucht, weil es kein Entkommen gibt, sollte doch jedem klar sein, dass an Little Hope kein Weg vorbei führt. Wo man dann am Ende auch tatsächlich landet. Wie es weitergeht? Nee, das verrate ich nun nicht auch noch.

(Copyright: Supermassive Games)

Ganz tief in der Klischee-Schublade

Schon da hat das Game seinen Willen offenbart, wirklich kein Horror-Klischee auszulassen. Dunkelheit, Nebel, Menschen, die nicht fliehen können, kleine Mädchen, die ihre Familien umbringen und 50 Jahre später – immer noch als kleines Mädchen – einen Busunfall verursachen, eine Horde strunzdoofer Teenies, schwarze Katzen, ominöse Unbekannte, Flashbacks, Hexenprozesse aus dunkler Vergangenheit und natürlich auch eine verlassene Kleinstadt voller Rätsel. Hallo Silent Hill. Und wer sich dann immer noch nicht fürchtet, der bekommt in losen Abständen einen der vielen Jumpscares um die unvorbereiteten Ohren geschlagen. Die hin und wieder tatsächlich Wirkung zeigen.     

Ok, kann man so machen, erinnert dann aber bisweilen doch ein wenig an die Horror-Persiflage Scary Movie – das allerdings mit den Klischees spielte und nicht wirklich ernst meinte. Da ist man stellenweise versucht, eine Runde Horror-Bullshit-Bingo zu spielen und darauf zu wetten, was als nächstes kommt. Hinzu kommt, dass den Machern immer wieder das Gespür für Dramaturgie und das richtige Tempo abgeht. Eben noch hat man sich wohlig gegruselt, dann wieder wiegen uns überflüssige Längen in einen erholsamen Schlaf.


(Copyright: Supermassive Games)
Vielschichtiger Psycho, aber kein Slasher

Insgesamt aber haben sich die Entwickler dann schon viel Mühe gegeben, eine vielschichtige Story zu weben und diese auf ihren diversen Zeitebenen interessant zu verankern, so dass ich die ganz gerne verfolgt habe. Trotz einiger Leerstellen und Logiklöcher. In der Beziehung wäre aber viel viel mehr drin gewesen, wenn die Macher vorher mal das Standardwerk „Dramaturgie und Dialogregie für Dummies“ gelesen hätten.

Trotz einiger heftigerer Sterbe-Szenen ist Little Hope weit weg vom Slash-Horror, sondern ist eher im Bereich Mystery-History-Psycho-Thriller verortet, mehr Bates Motel und The Witch als Resident Evil 7 oder Texas Chain Saw Massacre. Ohne aber deren Klasse zu erreichen.


(Copyright: Supermassive Games)
Spielerisch eher dünn

Spielerisch gibt uns das Game nicht allzu viel zu tun. Wir gehen die dunklen Schauplätze ab – jetzt übrigens endlich in einem vernünftigen Tempo und nicht so lahmarschig wie in Teil 1 – und wenn irgendwo was aufblitzt untersuchen wir es. Dazu kommen hin und wieder Quicktime-Events als Actioneinlage, die – anders als im Vorgänger – jetzt vorab angekündigt werden, so dass man genügend Zeit hat, sich darauf einzustellen, statt wie in Man of Medan davon überrascht bzw. überrumpelt zu werden.

Hinzu kommen wieder die vom Kurator angekündigten Dialogentscheidungen mit ihren Auswirkungen. Ja, die Geschichte verästelt sich dann tatsächlich ein wenig und es gibt auch verschiedene Enden – nur ob die tatsächlich nun das Ergebnis unserer Entscheidungen sind, wird nicht so ganz klar. So manche davon scheinen einfach hintenüber zu fallen und nicht mit in die Wertung zu kommen, anderes wieder komplett willkürlich – das ist alles ein wenig undurchsichtig.


(Copyright: Supermassive Games)
Blasser Teeniehaufen, der einem eigentlich egal ist

Und es gibt ein weiteres Problem mit den Entscheidungen: Die vier Teenies und ihr überheblicher Prof sind durch die Bank so dermaßen blass und unsympathisch, dass es uns nach kurzer Zeit schon völlig schnurz ist, ob die nun draufgehen oder nicht. Wobei deren Ableben immer so prächtig inszeniert wird, dass man es fast schon drauf anlegt, mal zu sehen, was sich das Game dazu hat einfallen lassen. Eine ungewöhnliche Art, für Wiederspielwert zu sorgen.


(Copyright: Supermassive Games)

Koop und Technik 

Wie Man of Medan auch hat auch Little Hope einen bzw. zwei Koop-Modi: Einmal einen Couch-Koop, wo sich 5 Leute am Gamepad abwechseln – was eher lame ist – oder der Online-Koop, den wir mit einem anderen Spieler zusammen in unterschiedlichen Rollen bestreiten, was deutlich spaßiger ist.

Technisch schließlich ist Little Hope zwar auch nicht fehlerfrei, macht aber trotzdem eine bessere Figur als sein Vorgänger – trotz Problemen mit der Tonspur, zum Teil holpriger Animationen und sogar gelegentlicher Abstürze. Dafür ist die Grafik recht ansehnlich und zumindest die englische Originalvertonung gut gelungen, während die deutsche dann doch teilweise recht amateurhaft klingt.



(Copyright: Supermassive Games)

Fazit

Little Hope hat ein gut gemachtes Ende und eine schön verwebte Story über mehrere Zeitepochen hinweg, weiß aber nicht, das auch mit spielerischen Inhalten sinnvoll zu füllen. Die Abläufe wiederholen sich, ohne uns zu fordern, der Horror kommt aus dem 08/15 Rezeptbuch und erschreckt lediglich bei den Jumpscares, die Entscheidungen sind oft undurchsichtig und die Figuren belanglos. Das reicht für einen halbwegs netten Koop-Abend, mehr aber leider auch nicht.

Game: The Dark Pictures: Little Hope

Genre: Horror-Adventure

Release: 30.10.2020 (PC, PS4, Xbox One)

Entwickler/Publisher: Supermassive Games

USK: ab 18

Sprachausgabe/Texte: Deutsch /Deutsch

Webseite: https://www.supermassivegames.com/games/little-hope

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