Review 201012 Fifa 21

Fifa 21

Das Runde und  das Eckige

Irgendwie hatten wir uns ja daran gewöhnt, an den Zweikampf der noch im Rennen verbliebenen Kicker-Simulationen Pro Evo und Fifa, der alljährlich im Herbst über die Bühne geht. Und eigentlich jedes Jahr mit der Erkenntnis endet, dass Pro Evo den realistischeren Fuppes liefert, Fifa dafür aber mehr Lizenzen und mehr Drumherum im Angebot hat. Dieses Jahr aber hat Pro Evo gekniffen: Statt wie gewohnt eine neue Jahresversion abzuliefern, gibt’s dieses Mal nur ein Jahres-Update fürs halbe Geld. Dafür plane man dann ein großes Comeback im nächsten Jahr. Was ich persönlich absolut ok finde: Lieber mal ein Jahr Kreativpause einlegen als einen halbgaren Scheiß abzuliefern. Für Fifa doch eigentlich die Chance, sich mal einen kleinen Vorsprung zu erarbeiten. Oder hat EA daraufhin auch einen Gang runtergeschaltet?

(Copyright: EA Sports)
Neues auf dem Platz

Beginnen wir unsere Reise durch die Welt der Fifa-Neuerungen beim Gameplay, weil „entscheidend ist nun mal auf dem Platz“. Das ist zum Beispiel das „agile Dribbling“, das euch sehenswerte Manöver auf engstem Raum gestattet; damit können ballstarke Spieler auch den stärksten Abwehrrecken auf der Grundfläche einer Telefonzelle austanzen.

Schön auch die „Kreativen Läufe“. Mit denen könnt ihr einen Mitspieler – den ihr zum Beispiel als Empfänger für einen tödlichen Pass auserkoren habt – per Tastendruck zielgenau in den freien Raum schicken. Was allerdings anfangs angesichts der benötigten Tastenakrobatik etwas Übung erfordert, aber – so ist Fußball im allgemeinen und Fifa im besonderen nun mal.

In der Defensive seid ihr jetzt mehr als zuvor gefordert. Hatte die KI früher noch selber tatkräftig eingegriffen, müsst ihr jetzt öfter mal selber zur Grätsche greifen oder ein Tackling auspacken, und auch beim Stellungsspiel seid ihr mehr als zuvor gefragt. Das ist schon eine Umstellung, weshalb die Partien – gerade zu Beginn – doch torreicher ausfallen als noch im letzten Jahr.

Insgesamt ist das Gameplay etwas schwieriger geworden, vor allem auch das präzise Passspiel, dafür wurde aber das Spieltempo noch etwas weiter runtergedreht, so dass euch da etwas mehr Zeit bleibt. Das fühlt sich dann alles ein wenig realistischer an als im letzten Jahr, als noch der hektische Tempofußball regierte. An den Simulationsgrad vom letztjährigen Pro Evo kommt aber auch Fifa 21 nicht ran. Aber das darf auch jeder anderes sehen.


(Copyright: EA Sports)
Volta den wirklich?

Kommen wir zum Volta-Modus, einer Art abgespecktes Fifa Street. Der war ja letztes Jahr nicht so begeistert aufgenommen worden; vor allem die platte Story traf da auf wenig Gegenliebe. Trotzdem hat EA den nun – in etwas überarbeiteter Form – weitergeführt. Zur Einführung gibt’s eine rund zweistündige Story namens „The Debut“, die an Dämlichkeit kaum noch zu unterbieten ist. Denn schon nach meinem ersten unbedarften  Match in der Hinterhof-Kickerei tauchte erst der brasilianische Altstar Kaka auf, um mein viertklassigen Getrete zu feiern und meinen besten Mitspieler gleich mal zu einem Turnier nach Dubai zu entführen, was aber Minuten später durch eine obskure „Managerin“ oder was auch immer getoppt wird, die meiner Treter-Truppe kostenlose Flugtickets rund um den Globus verspricht – weil es halt Spaß macht.

Na, wenn das nicht ein guter Grund ist, mal eben einen sechsstelligen Betrag rauszuhauen. Da wartet man doch unwillkürlich darauf, dass ein besorgter Mann im weißen Kittel erscheint und ruft „Frau Soundso, sie sollen doch nicht immer aus der Klinik flüchten.“ Der aber natürlich nicht auftaucht. Schade eigentlich. Hat man diese Peinlichkeit hinter sich gelassen, kann Volta aber durchaus Laune machen. Ok, an Fifa Street reicht das immer noch nicht heran, aber das Kicken auf Hinterhöfen und Parkplätzen mit Bande, kleinen Toren und ohne großartige Tricksereien hat auch so seinen Reiz. Vor allem, weil wir jetzt endlich auch Koop mit bis zu vier Kumpels ein Team aufstellen dürfen, um gegen andere Kumpelteams anzutreten.

Auch der Battle-Modus ist eine launige Geschichte, weil man im Verlauf immer wieder mal gegen Promi-Teams antritt und im Erfolgsfall dort einen Spieler von der Güteklasse von Mbappé und Co mit ins eigene Team mitnehmen darf. Und dass euer selbstgebauter Spieler im Volta-Verlauf immer besser wird, motiviert auch dazu, Volta immer wieder mal starten. Auf die Sache mit der Volta-Coin-Sammelei dagegen kann ich gut verzichten. Die werden nämlich eingesetzt, um neue Sportklamotten zu kaufen. Weil es mir nun echt völlig wumpe ist, ob ich im angesagten Nike-Fummel oder im No-Name-Schlabber-Look gegen den Ball trete. Da kann ich ja gleich mit Barbiepuppen spielen.  

(Copyright: EA Sports)

Neues in der Karriere

Auch im Karrieremodus hat sich endlich einiges getan, nachdem der ja in den letzten Jahre eher so am Rande mitlief. Im Trainerpart nämlich gibt es jetzt die von den Fans schon lange geforderte Live-Matchsimulation wie früher beim Fußball-Manager. Jetzt könnt ihr entscheiden, ob ihr die Partie komplett selber spielen wollt, oder nur eine Halbzeit oder eben nur die wichtigen Szenen – und den Rest der Zeit das Spiel dann am Radar verfolgt.

In der Karriere wurde auch an der Nachwuchsarbeit geschraubt, die jetzt noch realistischer abläuft, da ihr ganz individuelle Trainingspläne für eure Nachwuchsstars erstellen könnt, die sich an mannigfaltigen Faktoren orientieren. Allerdings kann man sich dabei auch wunderbar verzetteln und viel Zeit auf dem Trainingsplatz lassen, was auf die Dauer auch Nerven kostet. Aber das ist sicher auch Geschmackssache. Auch wenn es hier und da noch einige Unsauberkeiten gibt – wie Spieler, die nicht von der Leihliste gestrichen werden können oder der immer noch teilweise unrealistische Transfermarkt – ist das doch der beste Fifa-Karrieremodus seit langem. Etwas mehr Innovation wäre aber schon langsam mal schön.

(Copyright: EA Sports)
Gelddruckmaschine FUT

Kommen wir zum leidigen Fifa Ultimate Team-Modus, Leidig, weil ich dem so gar nichts abgewinnen kann: Wer hier viel Echtgeld investiert (und das machen erstaunlich viele Leute, sonst hätte EA im letzten Jahr damit nicht 1,5 Milliarden Euro gemacht), also, wer da viel Geld reinsteckt, hat gegen die, die ihr Team mühsam selber formen, immer die Nase vorn. Pay to Win in Reinform. Und auch die zufallsbasierten Lootboxen heben meine Laune da nicht. Das ist einfach verbotenes Glücksspiel, weshalb EA die in Belgien auch nicht mehr anbieten darf. Fragt sich, warum der Rest der Welt da nicht nachzieht.

Sei es drum, EA hat auch seine FUT-Gelddruckmaschine weiter aufgepäppelt. Und nicht alles besser gemacht, wie man an der neuen, umständlichen Benutzeroberfläche sieht. Ihr könnt jetzt Squad Battles und Division Rivals auch zu zweit spielen, die Fitnesswerte wurden gestrichen, neue Milestones gesetzt und die Rewards überarbeitet. Außerdem gibt’s nach einer bestimmten Anzahl von Partien keine Punkte mehr, um Vielspieler nicht zu belohnen. Die weggefallenen Fitnesskarten wurden durch solche ersetzt, mit denen ihr euer Stadion optisch aufwerten könnt, inklusive Fangesang und Choreos. Alles ganz nett, aber nicht sonderlich innovativ. Und am Ende bleibts halt ein Pay2Win-Glücksspiel, das ich nicht vermissen würde. Aber ich kenne genug Leute, die Fifa ohne FUT nicht starten würden.


(Copyright: EA Sports)
Der Rest

Ohne jetzt weiter ins Detail zu gehen: Auch die vielen anderen Spielmodi wie Championsleague, Online-Ligen und -Matches, Anstoß, Turniere, Pro Clubs, Partien nach eigenen Regeln und was es da sonst noch alles gibt, wurden mal mehr mal weniger mit ein paar neuen Features verfeinert. Alles nicht bahnbrechend, aber meist doch sinnvoll. Wie zum Beispiel die Rückspulfunktion in Freundschaftsspielen – ich mag so was, ist gut zum Üben.


(Copyright: EA Sports)
Gewohnt fette Lizenzen (aber nur bei den Männern)

Bei den Lizenzen fährt Fifa 21 wie immer gewohnt fett auf. Über 30 Ligen, 700 Teams, 17.000 Spieler und 90 Stadien sind im Original dabei. Verloren hat man AS Rom sowie die Ligen aus Chile, Kolumbien und die zweite Liga aus Italien, was aber wohl zu verschmerzen ist. Dünn besetzt sind dagegen immer noch die Frauenteams: Hier laufen auch weiterhin nur 16 Nationalmannschaften auf, das ist peinlich.


(Copyright: EA Sports)

Der Zirkus kommt, ohne Corona, aber schwach auf der Switch

Der Zirkus drumherum stimmt aber mal wieder. Einlauf der Mannschaften, Emotionen, Bandenwerbung, ausflippende Fans, Zeitlupen und Superstars hautnah – das kann sich sehen lassen. Und auch hören, denn das Kommentatorenduo Buschmann/Fuss – das noch hin und wieder von Einspielern von Sky-Moderatorin Esther Sedlaczek bereichert wird – macht einen recht ordentlich Job. Optisch ist Fifa 21 auf einem ähnlich hohen Stand wie im Vorjahr, viel getan hat sich da aber nicht. Die Gesichter der Stars sehen jetzt noch etwas besser aus, die der Nicht-Stars sind schwer erkennbar wie immer. Auch wie immer: Die Spieler bewegen sich zum Teil viel zu träge. Was aber nicht zwangsläufig an der Grafik liegen muss.

Was mir gerade einfällt: Es gibt in Fifa 21 keinen Corona-Modus – also leere Stadien und Betreuer mit Mundschutz, so weit geht die Realitätstreue dann doch nicht. Man hat darüber nachgedacht, hat sich dann aber doch für Fußball in der vertrauten und inzwischen vermissten Reinform entschieden. Gut so.

Ein Wort noch zur Switch-Version: Die kommt lediglich mit aktualisierten Kadern, der Rest ist rausgefallen. Seltsamerweise heißt es im Nintendo Store: „Die FIFA 21 Legacy Edition bietet die Gameplay-Innovationen aus FIFA 20 ohne neue Entwicklungen oder entscheidende Verbesserungen.“ Seltsam, weil auch schon im letzten Jahr da stand, dass Spielmodi und Gameplay auf dem Stand von Fifa 19 ist.“ Heißt wohl, dass Fifa 21 auf der Switch Fifa 19 entspricht. Und das für 50 Euro. Schon krass. Oder besser: dreist.



(Copyright: EA Sports)

Fazit

Tja, was soll ich sagen: Fifa 21 hängt irgendwo zwischen größerem Update und kleiner Neuversion. Klar, es ist wieder einmal ein launiges Kickergame mit einer Unmenge von Features, aber reicht das, um wieder den Vollpreis zu verlangen? Hätte man da nicht besser dem Beispiel von Konami folgen und eine Kreativpause einlegen sollen? Wer nicht unbedingt die aktuellen Kader braucht, kann sich auch für kleines Geld Fifa 20 kaufen. Und dann sehen, was Pro Evo im nächsten Jahr macht. 

Game: Fifa 21

Genre: Sport

Release:  09.10.2020 (PC, PS4, Xbox One, Switch)

Entwickler/Publisher: EA Sports

USK: ab 0

Sprachausgabe/Texte: Deutsch /Deutsch

Webseite: https://www.ea.com/de-de/games/fifa/fifa-21

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