Ghost Recon Breakpoint
Nicht wirklich schlecht, aber zu viel
Ja, mit Ghost Recon Breakpoint hatte sich Ubisoft eine Menge vorgenommen. Vor rund zweieinhalb Jahren hatte man den Vorgänger Wildlands aus dem Taktik-Shooter-Einerlei in ein gelungenes Open World Szenario geführt. Und nun wollte man mit Breakpoint noch einen draufsetzen. Also schaute man sich wohl um, was die Konkurrenz so treibt, um dann ordentlich aufzurüsten. Alles, was gerade angesagt ist, sollte mit rein: Mehr Multiplayer, eine möglichst fett inszenierte Solo-Kampagne, dazu tonnenweise Loot und – es soll sich ja auch für den Publisher lohnen – möglichst viele Mikro-Transaktionen. Ob diese großen Pläne dann aber auch zum gewünschten Ergebnis geführt haben oder im Chaos enden – das werden wir uns jetzt mal genauer anschauen.
(Copyright: Ubisoft)
Die Story
Gefühlt die Hälfte aller Games beginnt ja bekannterweise mit einem Hubschrauberabsturz (die andere Hälfte damit, dass jemand erwacht und sich an nichts erinnern kann). So auch Breakpoint, wo die Maschinen des Ghost-Elitesoldaten Nomad und seiner Kameraden bei einer Aufklärungsmission abgeschossen werden. Die waren unterwegs zu der Insel Auroa, in deren Nähe ein amerikanischer Frachter verschwunden ist – und die eigentlich ein friedliches Hightech-Utopia ist, in dem für eine bessere Welt geforscht wird. Damit machte sich die Insel aber auch zur Zielscheibe von Kriminellen, die die Errungenschaften der Forschergemeinschaft für ihre Zwecke nutzen wollen – also Weltherrschaft und so weiter. In diesem Fall ist es der übellaunige Cole D. Walker und seine Söldner, den Wolves, ein abtrünniger Ex-Kollege von Held Nomad.
Das Setting ist zwar nicht sonderlich innovativ, liefert aber immerhin eine wesentlich explosivere Ausgangsposition als in Wildlands, wo die Story eher uninspiriert vor sich hindümpelte. Zwar kann Breakpoint die anfangs aufgebaute Spannung nicht bis zum Ende immer konsequent oben halten, aber trotzdem: Das ist schon recht gut.
(Copyright: Ubisoft)
Gute Basics und viele einsame Helden
Und auch die grundlegenden Basics gefallen. So haben wir stets dutzende verschiedene Möglichkeiten, einen Job zu erledigen, der Taktikaspekt stimmt ebenso wie das Waffengefühl, das Hochleveln der Spielfigur motiviert und macht Sinn, es gibt massig Waffen, Ausrüstungsgegenstände und Fahrzeuge (die sich erstaunlich gut steuern lassen) und auch die mysteriöse Insel und die riesige Spielewelt sind anfangs recht sympathisch.
Leider hat man sich aber entschlossen, dem Game einen Community-Hub mitten auf der Insel zu verpassen, was sich als mittelschwerer Atmo-Killer erweist. Wird mir in der ersten Stunde wirkungsvoll vermittelt, dass nur ich als lonesome Hero die Sache wieder gerade biegen kann, stehe ich plötzlich in einem Camp mit zig anderen lonesome Heros – geht gar nicht.
Zu viel von fast allem
Zum anderen macht Ghost Recon Breakpoint den Fehler, zu viel zu wollen und sich dabei zu verzetteln. Beispiel Loot: Die Spielewelt ist übersät mit Beutestücken, mit Hosen, Mützen, Handschuhen, mit Waffen, Tarnungen und anderen Ausrüstungsgegenständen. Für kaum ein Beutestück muss man wirklich kämpfen, und die meisten sind kosmetischer Natur und absolut überflüssig. Hinzu kommt, dass die Motivation zum Hochleveln der Waffen nicht allzu hoch ist. Zwar leveln die Gegner mit, können aber trotzdem mit einem simplen Kopfschuss ausgeschaltet werden. Was zwar realistisch ist, aber eben auch ohne stärkere Bewaffnung locker zu bewerkstelligen ist. Was wohl auch Ubisoft aufgefallen war, die dann wenigstens die nervigen Feinddrohnen zunehmend widerstandsfähiger gemacht haben.
Ganz ignorieren kann man den Krempel wiederum aber auch nicht, weil die in der Solo-Kampagne erworbene Ausrüstungsstufe später auch im Multiplayer relevant ist. Wer solo also schwächelt, sieht im PvP kein Land. Blöd gelaufen.
Auch die zusätzlichen taktischen Möglichkeiten und die vielen Gadgets ignorieren wir schon nach kurzer Zeit. Warum soll ich Matsch rollen, um mich zu tarnen, wenn die blöde Gegner-KI mich eh nicht sieht? Warum soll ich am Lagerfeuer rasten und so Widerstandsboni bekommen, wenn ich eh hinter jedem Baum ein Medikit finde, das mich im Nu wieder heilt? Warum soll ich Zäune durchschneiden, wenn es durchs Tor genauso easy geht?
Überhaupt habe ich ständig das Gefühl, das Sachen eingebaut wurden, um das Game künstlich zu verlängern, und nicht, um es besser zu machen. Ständig krame ich in Kisten, vergleiche Outfits, bastele an Waffen rum oder level irgendwas hoch, ohne dass es mich sonderlich weiter bringt. Die Map ist überfrachtet mit Hinweisen, Biwaks und anderem Kram, überall finden sich Hintergrundinfos und lange Dialoge – das alles bremst das Spiel nur unnötig aus.
(Copyright: Ubisoft)
Schöne, leblose Spielewelt und lahme Missionen
Die Spielewelt ist groß, mit ganz unterschiedlichen Landschaften, vom Dschungel über schneebedeckte Gipfel bis hin zu grünen Wiesen, Stränden, Dörfern und Städten ist alles dabei, es gibt viel zu entdecken. So macht es auch Spaß, durch die Gegend zu streifen und Fauna und Flora zu bewundern.
Auf der anderen Seite wirkt das alles aber auch irgendwie auch steril und leblos, wie auf dem Reißbrett entworfen, wo man dann Kultur und Geschichte vergessen hat, viel zu selten treffen wir mal auf Bewohner – und wenn, dann sind sie meist nur Staffage.
Auch die Missionen können nur selten mal begeistern. Meist enden die damit, dass ich irgendwo was sabotieren, abholen, schützen oder ausschalten muss. Und dafür meist auch noch ziemlich lange unterwegs bin.
So fehlt Breakpoint ganz allgemein das Unverwechselbare, eine Seele, eine eigene Identität. Die nämlich wird zugekleistert mit Unmengen von „komm, das packen wir auch noch rein“-Gedöns.
(Copyright: Ubisoft)
Und trotzdem spielbar
Auch wenn sich das alles jetzt vernichtend anhört: Wenn man sich mit den Unzulänglichkeiten abgefunden hat, könnt ihr mit Breakpoint trotzdem euren Spaß haben. Im Vierspieler-Koop macht auch die langweiligste Mission noch Laune und das Ausprobieren der vielen taktischen Möglichkeiten motiviert, obwohl man die eigentlich meist gar nicht benötigt.
Und auch technisch ist Breakpoint jetzt zwar kein Meilenstein, aber doch sehr ordentlich. Vor allem die Landschaften und die Wettereffekte fallen da angenehm auf, auch die deutsche Vertonung und die fetten Waffensounds gefallen. Weniger schön sind die recht starren Gesichter und die gelegentlichen Grafik-Bugs und -Glitches – die Ubisoft im Laufe der nächsten Updates dann aber hoffentlich noch in den Griff bekommt.
(Copyright: Ubisoft)
Fazit
Ghost Recon Breakpoint ist kein wirklich schlechtes Spiel, könnte aber andererseits auch viel besser sein. Es wirkt überladen, will viel zu viel und setzt sich damit zwischen alle Stühle. Weniger ist manchmal mehr; wenn die Entwickler das beim nächsten Teil beherzigen, wird alles wieder gut. Bzw. besser.
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