Elden Ring
Ein Ring mich zu knechten...
Dark Souls oder Bloodborne und ich waren nie wirklich Freunde. Sicher, die Reihe ist spielerisch über (fast) jeden Zweifel erhaben, aber diese bockeschweren Trial & Error-Kämpfe, die man erst nach zig Fehlversuchen schafft, die Linearität und das teilweise doch recht Umständliche und Sperrige, das ist einfach nicht mein Ding. Ich hab es gespielt, war aber nie 100% begeistert. Klar, ich hör jetzt schon die Helden mit ihrem „dann spiel doch Mario Kart, wenn dir das zu schwer ist, du loser“. Nee, so ist das ja nicht, ich komme ja schon damit klar, mal früher, mal später – aber meine Definition von Spielspaß ist halt eine andere. Weshalb Elden Ring bei mir auch lange Zeit ungespielt in der Kiste lag. Bis ich es jetzt dann doch mal angegangen bin.
Nachdem die Reviews sich geradezu überschlagen hatten mit „Schon jetzt das beste Spiel des Jahres“, „Ein wahres Meisterwerk“ oder sogar „Eines der besten Spiele aller Zeiten“ war ich doch neugierig geworden. Auch, weil ich ein großer Freund offener Spielewelten bin. Ein Soulslike also mit Open World? Vielleicht packt es mich ja doch, so mein Gedanke. Schaun wir mal.
(Copyright: From Software / Bandai Namco)
Die Story: Ringe und Befleckte
Elden Ring spielt in einer Welt namens „Die Zwischenlanden“, das einst von Königin Marika und einem goldenen Erdenbaum geführt wurde. Dann aber wurde der Elden Ring, die Quelle des Erdenbaums, zerschlagen. Woraufhin Königin Marika spurlos von der Bildfläche verschwindet und Halbgott Godwyn der Goldene ermordet wird. Kurz darauf reißen die übrigen Kinder von Marika, allesamt ebenfalls Halbgötter, die Bruchstücke des Rings an sich. Undankbare Blagen. Weil aber nun jeder nur eines ergattern konnte, bekriegen sie sich gegenseitig, um auch an den Rest zu kommen. Was dem Land nicht unbedingt gut tut.
Tja, nun ist die Kacke mächtig am Dampfen, was tun? Da fällt den Verantwortlichen (wer immer das gerade sein mag) ein, dass es ja noch die „Befleckten“ gibt, so eine Art Untote. Die hatte man vor langer Zeit ohne Rückfahrkarte aus dem Land gejagt, doch jetzt sollen sie die Karre wieder aus dem Dreck ziehen. Von denen gibt es eine ganze Menge, doch nur einer hat anscheinend das Zeug, den Job zu übernehmen. Guess who? Genau. Der soll den Halbgöttern die Ringfragmente wieder abjagen und diese zusammensetzen, um am Ende der Elden Lord zu werden. Was auch immer an diesem Titel jetzt so toll sein soll, dass man 100fach sein Leben dafür riskiert. Na ja, vielleicht gibt es ja für den Lord ein kostenloses ÖPNV-Ticket für die Zwischenlande und freien Eintritt in den örtlichen Zoo. Was weiß ich.
(Copyright: From Software / Bandai Namco)
1000x gehört und die Sache mit R.R.R.R.R.R. Martin
Nun ist diese Backgroundgeschichte – die uns gleich zu Beginn im Intro mit einigen netten Standbildern erzählt wird – ja nun wirklich nicht neu. Einsamer Held macht sich auf, um die Einzelteile eines zerschlagenen Artefakts zu finden, die in der ganzen Spielewelt verteilt sind. Ja, das Ding ist nun wirklich ausgelutscht. Aber egal, ist die Geschichte doch nur der Kitt, der dem Ganzen einen Rahmen gibt. Alle weiteren Details, die dieses Bild weiter ausschmücken, und die die Beweggründe und Erklärungen liefern, müsst ihr selber durch Befragung von NPCs und Ähnlichem herausfinden – wie immer in den Spielen von From Software. Was ja aber nun auch ganz reizvoll ist.
Im Vorfeld wurde auch dafür geworben, dass der legendäre George R.R.R.R. Martin an der Geschichte beteiligt gewesen sein soll. Ja, war er, aber weniger an den vielen Kleinigkeiten und Figuren, sondern mehr an der Hintergrundstory. Die Hauptarbeit lag wie gewohnt in den Händen von Serienvater Hidetaka Miyazaki. Und der hat da einen ordentlichen Job gemacht.
(Copyright: From Software / Bandai Namco)
Nackter Bettler oder Samurai?
Bevor es los geht, suche ich mir aus den zehn angebotenen Klassen noch meine Heldenfigur aus. Möchte ich lieber als nackter Bettler starten oder als Samurai? Oder doch ein Krieger, ein Prophet oder ein Astrologe? Jede Klasse hat so ihre Stärken und Schwächen, ist jetzt aber keine Ehe auf Lebenszeit: Ihr könnt später auch aus einem Zauberer noch einen Krieger machen, da habt ihr eine Menge Freiheiten. Ich wähle als alter Kendoka natürlich den Samurai, absolviere das kleine Tutorial zum Start, das uns spielerisch die grundlegenden Moves erklärt (und uns schon hier unter Umständen das erste Mal sterben lässt, wenn wir unaufmerksam sind – so als kleinen Vorgeschmack auf das, was kommt) und entlässt uns dann in die Spielewelt, genauer: In das ausnahmsweise sonnige Startgebiet Limgrave. Doch lasst euch von dem Sonnenschein nicht einlullen, das wird kein Sommerurlaub.
(Copyright: From Software / Bandai Namco)
Die ersten Meter: Wo ist der Bossgegner?
Da steh ich also nun in meiner Schilfrohrrüstung, ein Katana in der einen Hand, ein billiges Holzschild in der anderen, blinzele in die Sonne und spähe misstrauisch nach den ersten Bossgegnern, die mich nach guter alter Dark Souls-Tradition schon nach wenigen Sekunden aus den Bambuslatschen kloppen werden. Aber nichts da, das Game lässt mich in Ruhe umschauen. Ich entdecke ein paar Tiere – Adler, Wildschweine, komische Rehe und irgendwas, was aussieht wie eine Mischung aus großer Hase und Känguru, an denen ich ohne Rücksicht auf den Artenschutz Schlagtechniken und Anschleichen ausprobiere und meine erste Beute einsammele – meist Fleisch und Knochen. Kann man sicher später mal brauchen.
Ein paar Soldaten tapern durch den nahen Wald, schön einzeln, perfekt zum Üben. Genau wie der Trupp von Untoten, die neben einem Felsen irgendwas aus der Erde buddeln. Ab und zu lässt auch einer der Besiegten etwas fallen, das ich dann meinem Inventar einverleibe. So langsam bekomme ich Spaß an der Sache. Hügelabwärts hat sich in verfallenen Ruinen ein Trupp bewaffneter Krieger niedergelassen. Die sind mit ihren schweren Schilden und den Langschwertern schon ein anderen Kaliber, aber – mit etwas Vorsicht, Taktik und Planung – auch zu schaffen. Dafür ist der Loot dort auch schon brauchbarer, sogar Rüstungsteile und Waffen erbeute ich dort.
(Copyright: From Software / Bandai Namco)
Runen und Ruinen
In einer verfallenen Kirche treffe ich auf einen Händler. Bei ihm kann ich überschüssige Beute und gesammelte Pflanzen verkaufen und bekomme dafür Runen, die Währung in Elden Ring. Die gibt es auch für besiegte Gegner. Mit denen kann ich dann beim Händler einkaufen, aber auch hochleveln. Eine Währung für alles eben, das ist praktisch. Kalé rät mir, meine ersten Runen in ein Werkzeugkit zu investieren, mit dem ich mir grundlegende Items selber basteln könne. Das Crafting funktioniert hier ganz ordentlich und unkompliziert, vieles kann man aber auch einfach ignorieren, weil es überflüssig ist.
Aber wie funktioniert das nun mit dem Hochleveln? Runen genug habe ich ja. Nun, das findet man entweder irgendwann eher zufällig selber raus oder liest es nach: Dazu muss man nämlich drei Orte der Gnade aktivieren (das sind die, an denen man rasten kann) und sich am dritten dann niederlassen. Dann erscheint Melina. Und die bietet mir einen Deal an: Mitfahrgelegenheit gegen Hochleveln. Oder so ähnlich. Eigentlich ganz einfach, wenn man es mal weiß. Von Melina erhalte ich auch einen Ring, mit dem ich mir ein Pferd herbeirufen kann. Sturmwind heißt das im Deutschen, Torrent im Original. So oder so praktisch für größere Entfernungen, wenn man mal gerade nicht teleportiert werden will oder kann, oder für Kämpfe, wo ich es auf Geschwindigkeit ankommt.
Aber das ist halt so in Elden Ring: Es gibt keine Anleitung, fast alles erschließt sich erst im Spielverlauf, wenn man zufällig drüber stolpert.
(Copyright: From Software / Bandai Namco)
Ohne Asche keine Kämpfe
Recht früh taucht auch eine Hexe auf. Von der bekomme ich meine erste Geisterasche. Mit der kann ich – für eine gewisse Zahl von Fertigkeitspunkten -Geister von Tieren oder Helden beschwören, die mir im Kampf helfen, mehr als 50 verschiedene gibt es davon. Dass das nur in bestimmten Zonen funktioniert, die überdies von einem kleinen Grabstein-Icon am linken Bildrand angezeigt werden, sagt euch auch niemand; auch das findet man irgendwann selber raus. In Truhen und bei Händlern finden sich auch Kriegsaschen, um Waffen mit Spezialangriffen zu verbessern, Wirbelstürme auszulösen oder Riesenschwerter zu beschwören.
Apropos Waffen und Spezialangriffe: Kampfsystem und Waffenvielfalt sind wieder mal Freude pur. Leichte und schwere Hiebe, Schläge aus dem Sprung oder aus dem Rennen heraus, Blocken, Konter mit dem Schild, Schleichangriffe von hinten, Angriffe aus der Nähe oder aus der Ferne, mit Magie oder den mannigfaltigen Waffen – da machen die Kämpfe wieder richtig Laune, auch wenn man ab und zu bei der angebotenen Vielfalt die falsche Taste erwischt.
Umso mehr, da ich jetzt selten in Kämpfe gezwungen werde, die ich gar nicht führen will, so wie in Dark Souls. Kein „Kämpf oder du kommst nicht weiter“. Dank der offenen Spielewelt kann ich auch oft ausweichen, mir den Gegner für später aufheben oder ganz auslassen. Was halt nur bei den Zwischen- und Endbossen nicht funktioniert. An denen man sich wie gewohnt so lange die Zähne ausbeißt, bis man ihre Moves, Schwächen und Taktiken durchschaut und verinnerlicht hat.
(Copyright: From Software / Bandai Namco)
Offene Spielewelt mal anders
Auch die offene Spielewelt will erkundet werden. Da gibt es keine Map mit 1000 bunten Fähnchen und Icons, kein Hangeln von einer Nebenmission zur nächsten, keine Türme, die erklommen oder feindliche Lager, die erobert werden müssen. Kartenfragmente müssen erst gefunden werden, dafür weist mitunter ein goldenes Flimmern den Weg.
Aber die Erkundung lohnt sich. Immer wieder stoße ich auf anfangs unscheinbare Abzweigungen, Wege oder Portale, die in gewaltige Dungeons und zu anderen Überraschungen führen, die stundenlang beschäftigen können. Die Gegenden sind abwechslungsreich, es gibt immer was zu sehen und noch mehr zu erleben, es gibt Geheimnisse und große Momente, die man nicht verpassen möchte und sollte, aber es vermutlich trotzdem manchmal macht.
Dank der neuen Sprungfunktion erlebt die Spielewelt auch eine bis dato bei Dark Souls nicht gekannte Vertikalität. Da ist der Spaß, sich den Weg zu einem Objekt am Horizont selber zu planen und dann zu erkämpfen, fast schon die halbe Miete. Ankommen wird man da dann aber meist eh nicht, weil man unterwegs auf 1000 andere interessante Sachen gestoßen ist. Andererseits ist so manches auch reine Dekoration, schön anzusehen, aber eigentlich nutzlos, und so manches wiederholt sich mit der Zeit auch. Aber das sollte man einem Open World Spiel nicht zum Vorwurf machen, das liegt einfach in der Natur der Sache.
(Copyright: From Software / Bandai Namco)
Mein (persönliches) Fazit
So hat mich Elden Ring dann doch gepackt, mehr als alle Dark Souls und Bloodbornes zuvor. Es füttert den Open World und Entdecker-Fan in mir, ohne da alte ausgelutschte Muster zu wiederholen, ködert mich mit immer neuen Überraschungen und Geheimnissen, hat ein wunderbares Kampfsystem und unendlich viele Möglichkeiten, Missionsziele zu erreichen. Dass es dabei wenig erklärt, macht die Sache für mich fast noch reizvoller – selbst ist der Spieler. Ein Meisterwerk? Auf jeden Fall! Und vielleicht sollte ich danach ja doch noch mal die alten Dark Souls rauskramen.
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