Warcraft 3 Reforged
Weniger ist nicht immer mehr...
2003 veröffentlichte Blizzard das Echtzeit-Strategiespiel „Warcraft 3: Reign of Chaos“, das bis heute als einer der besten Vertreter seiner Art gilt - und zudem den Weg für World of Warcraft zum einen und für die Welle der MOBA-Games auf der anderen Seite bereitete. Verständlich die Begeisterung, als Blizzard auf der BlizzCon 2018 „Warcraft 3: Reforged“ ankündigte und gleich auch noch ein ansehnliches Demo mit im Gepäck hatte. Diese Begeisterung ist inzwischen aber Ernüchterung gewichen.
Remaster, Remake, Reforged
Wurde bisher eine olle Spielekamelle neu aufgelegt, war das entweder ein „Remaster“ - also dasselbe Game mit verbesserter Technik und kleinen Ergänzungen - oder ein „Remake“ - also ein von Grund auf neu programmierte und verbesserte Version. Blizzard aber nennt sein neues Warcraft 3 großspurig „Reforged“, als „neu geschmiedet“. Und hat das Game dann auch im Vorfeld als „völlige Neuschöpfung“ angekündigt. Und weil die als fähige Perfektionisten bekannt sind, haben wir das auch erst einmal alle geglaubt. Das wird doch sicher ganz großartig werden. Oder etwa doch nicht? Antwort… kommt später, Cliffhanger wegen der Spannung und so. Vorher erst einmal eine kleine Einführung zu Warcraft 3. Weil - 18 Jahre alt, da gibt’s sicher einige unter den Millionen von Lesern hier, die das Game zuvor nie gespielt haben.
Ganz kurz: Darum geht es in Warcraft 3
Also: Warcraft 3 ist - wie schon erwähnt - ein Echtzeit-Strategiespiel. Die Handlung ist in fünf Kapitel unterteilt, jeweils mit zum Teil unterschiedlichen Akteuren und Völkern. So kämpft zum Beispiel in Kapitel 2 „Die Geißel von Lordaeron“ ein Prinz Arthas gegen Orks und die untote Geißel, während dann in Kapitel 4 die Orks unter der Führung von Kriegshäuptling Thrall unter anderem gegen die Urbevölkerung von Kalimdor antreten. Es gab vier spielbare Fraktionen, die Story der Kampagne war außergewöhnlich spannend gemacht und wartete mit einigen unerwarteten Wendungen auf, das Missionsdesign war sehr abwechslungsreich und vielfältig.
Herausragend ist auch der Multiplayer-Modus, der damals Maßstäbe setzte und auch heute noch ganz vorne mit dabei ist. Vor allem die selbsterstellten Karten mit den dazugehörigen zahlreichen Spielmodi bereicherten das Game ungemein, allen voran „Defense of the Ancients“, kurz „DotA“. Kommt Euch bekannt vor? Klar, wird ja auch heute noch gespielt. Bzw. der Nachfolger DotA 2.
Im Sommer 2003 gab es dann noch das Add-on „The Frozen Throne“, mit drei neuen Kapiteln, neuen plus neutralen Helden, einer fünften Fraktion, den Naga sowie Schiffen und amphibische Einheiten. Dieses Add-on ist dann auch in der Reforged-Neuauflage enthalten.
Was ist neu in Reforged? Natürlich die Grafik. Ein bisschen jedenfalls.
Was also ist neu, bzw. „völlig neu“ an Reforged? Klar, zuerst natürlich mal die Grafik. Die Texturen sind jetzt hübscher, dazu Licht/Schatteneffekte, schöneres Wasser und detailliertere, von Grund auf neu gestaltete Figuren und Einheiten. Letztere passen dann zwar nicht mehr ganz so perfekt in den übrigen Comiclook, aber sonst ist das optisch schon eine runde Sache.
Allerdings sah das auf der 2018er Demo noch wesentlich imposanter aus. Vieles von dem, was man damals noch an Grafikneuerungen zeigte, scheint wieder gestrichen worden zu sein.
Das gilt auch für die angekündigten neu erstellten Zwischensequenzen, von denen es in der Demo schon etwas zu sehen gab und mit denen Blizzard dann später auch eifrig Reklame machte. Im fertigen Reforged ist dagegen keine Spur mehr von ihnen. Bis auf ein paar geänderte Kleinigkeiten sieht das wieder aus wie im Original. Kein Wunder, dass da so mancher von Täuschung spricht.
Leere Versprechungen
Auch das auf der Blizzcon präsentierte neue, schlanke Interface an der unteren Bildschirmleiste wurde wieder geknickt. Stattdessen gibt es nun eine Variante, die wieder nah am Original ist - mit all ihren Vor- und Nachteilen. Und dass sich die Tastaturbelegung nur geändert werden kann, wenn man in einer Textdatei mit einem Editor rumwerkelt, ist in heutigen Zeiten einfach ein Unding.
Und wenn wir gerade bei den gestrichenen Versprechen sind: Auch die Geschichte sollte ja eigentlich etwas verändert werden, damit sie besser zur Welt von WoW passt. Auch diese Idee wurde wieder verworfen. Angeblich, weil die Fans das so wollten. Das kann man glauben, muss man aber nicht. Was hätte dagegen gesprochen, wenigstens einige optionale neue Inhalte anzubieten?
Fehlende alte Features und technische Probleme
Richtig übel ist, dass zudem auch noch Features fehlen, die im Original enthalten sind, wie zum Beispiel Ranglisten plus daran gekoppeltes korrektes Matchmaking, die alten Profile, automatische Turniere - alles weg. Dazu kommt, dass Ihr Euch zwar immer noch selber Maps bauen könnt, Blizzard nun aber dafür die Rechte daran haben will. Tolle Wurst.
Hinzu kommen technische Probleme im Multiplayer, wie Lags, asynchrone Abläufe oder Verbindungsabbrüche, vor allem auf eigenen Maps. Und da die Entwickler den Client von Reforged mit dem der Classic-Version zusammengelegt haben, kommen nun auch deren Spieler in den zweifelhaften Genuss sämtlicher Reforged-Macken und müssen dazu sogar ein 30 GB-Update runterladen. Die neue Grafik bekommen sie trotzdem nicht.
Neue deutsche Vertonung
Dafür gibt es nun eine komplett neu aufgenommene deutsche Synchronisation. Ist nett gemeint und gemacht, wenn auch nicht alle Stimmen wirklich passen. Wem es nicht gefällt, der kann aber jederzeit wieder zum englischen Original wechseln. Aber vielleicht hätte man die Zeit und Kosten, die in die neue Vertonung investiert wurden, doch besser darauf verwendet, einige der versprochenen neuen Features zu realisieren? Nur so ein Gedanke…
Fazit
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Warcraft 3 ist immer noch ein gutes Spiel. An den ursprünglichen guten Spielmechaniken und an der Kampagne wurde ja - bis auf einige Kleinigkeiten - nichts geändert, das Prinzip aus Basisbau und kämpfen funktioniert in den 60 guten Missionen immer noch perfekt. Und die technischen Macken wird Blizzard sicherlich nach und nach per Update ausbessern. Wer das alte Spielgefühl will, bekommt es hier auch - zumindest im Solo-Modus.
Was aber hat Blizzard geritten, den Fans erst den Mund wässrig zu machen und das Blaue vom Himmel zu versprechen, um am Ende dann so wenig zu liefern? Da dürfen sich die Entwickler nicht wundern, wenn ihnen Betrug vorgeworfen wird und so mancher Käufer nun sein Geld zurückfordert. Mit der Aktion hat sich Blizzard selbst ins Knie geschossen und eine Menge Vertrauen verspielt. Und es wird verdammt lange dauern, das wieder zurückzuholen.