Horizon Forbidden West
Wenn die Aloy mit dem Bogen...
„Das war’s“ – sagten wir uns ein wenig wehmütig vor gut 5 Jahren, als bei Aloys erstem Abenteuer, Horizon Zero Dawn, der Abspann über die Monitore flimmerte. Ja gut, ein halbes Jahr später gabs noch das DLC The Frozen Wilds als Trostpflaster, aber danach war wirklich erst einmal Pause. Jetzt endlich gibt es den Nachfolger „Horizon Forbidden West“. Und wieder geht es um Robo-Saurier, um eine postapokalyptische Welt und eine toughe Heldin. Und das ist gut so. Warum? Das erfahrt ihr in meinem nachfolgenden Gamecheck.
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Was bisher geschah
Dann frag ich mal eben in die Runde: Habt ihr alle den ersten Teil durchgespielt? Wie, nicht alle? Tse. Na gut, dann erzähle ich hier noch mal eben, worum es Zero Dawn ging. Das spielte etwa 1000 Jahre in der Zukunft. Nach viel Stress mit Klimawandel und übermächtigen Konzernen war die Menschheit wieder in der Steinzeit gelandet und lebte in Stämmen zusammen. Statt Dinosaurier bevölkerten aber gewaltige Maschinenwesen die Welt. Sahen aus wie Saurier, waren aber eben Maschinen. Robo-Saurier also. Wie sich später herausstellte, waren die Maschinen ursprünglich geschaffen worden, um Luft, Wasser und Erde zu reinigen und ein Leben auf der Erde wieder zu ermöglichen. Lange Zeit lebten die in friedlicher Koexistenz, bis sie dann plötzlich aggressiv wurden und die Menschen angriffen.
Mit Hilfe eines fortschrittlichen Terraforming Systems, das von einer künstlichen Intelligenz namens Gaia kontrolliert wurde, wollte man ebenfalls die Biosphäre wieder neu erschaffen – das Projekt Zero Dawn. Gaia aber wurde von der Subroutine Hades infiziert, die Sache lief aus dem Ruder. Dahinter steckt ein ehemaliger Konzernchef, Ted Farrow. In der Schlacht von Meridian kann die Nora-Kriegerin Aloy schließlich Hades vernichten und die Welt vor ihrer endgültigen Vernichtung retten. Ende Teil 1.
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Darum geht es in Forbidden West
Alles gut also? Nein, natürlich nicht. Nur 6 Monate später scheint Hades wieder zurück zu sein, und eine tödliche Seuche überzieht das Land, die Ernten vernichtet und weite Landstriche unbewohnbar macht. Einzige Hoffnung: Das Gaia-Backup suchen und alles resetten. Klingt ja ganz easy, nur – gibt es noch ein Backup? Und wo ist es? Schnell bekommt Aloy heraus, dass die Lösung im Verbotenen Westen liegen soll. Doch der Weg dorthin ist schwierig. Wobei – „Schwierig“ umschreibt das nur unzureichend: Stammeskriege, noch mehr und noch aggressivere Maschinenwesen, ein zum Teil verseuchtes Land und einige mächtige Gegenspieler versuchen alles, um Aloy an der erneuten Rettung der Welt zu hindern.
Und das fehlende Backup ist erst die halbe Miete. Es stellt sich nämlich heraus, dass auch die erforderlichen Subroutinen, die Unterfunktionen, verschollen sind und erst einmal wieder herbeigeschafft werden müssen. Und das möglichst Pronto, denn die Uhr tickt, wie die KI Gaia anmerkt.
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Große, weite Welt. Und schön. (Hatte ich „groß“ schon?)
So, jetzt aber genug von der Story gespoilert, ihr wollt und sollt Horizon Forbidden West ja schließlich auch noch selber zocken. Und da habt ihr so einiges vor euch. Das fängt damit an, dass die Spielwelt jetzt deutlich größer ist als im ersten Teil. Und auch noch abwechslungsreicher. Da gibt es die Ruinen alter Metropolen, kleine ganz unterschiedliche und fremdartige Dörfer sowie so ziemlich alle – wunderschön anzusehenden – Biome, die man bei einem Trip durch die USA von Ost nach West unter die Füße bekommen kann. Wüste, Dschungel, verschneite Berge, Steppen, Küsten. Alles etwas komprimiert und relativ übergangslos (von der Wüste in den Sumpf in 50 Metern), aber eben mit viel Abwechslung und gut aussehend, das macht schon was her. Ok, das ist jetzt keine überwältigende Neu-Inszenierung der offenen Spielewelt, aber es hat schon hier und da noch mal zugelegt, das passt schon.
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Unterhaltsame Nebenquests
Eine größere Spielewelt bedeutet auch – also nicht zwangsläufig, hier aber schon – dass sich die Zahl der Nebenquests deutlich erhöht hat. Dabei ist deren Dichte jetzt nicht so nervig hoch wie bei einschlägigen Ubisoft-Games, wo man ja alle 5 Meter eins an die Backe bekommt, außerdem sind die auch weit weg von „Geh von A nach B und hole mir 100 C“. Da müssen Überlebende einer Überschwemmung gerettet werden, irgendwo tobt ein Kleinkrieg zwischen zwei Möchtegern-Häuptlingen, ein Krieger braucht Unterstützung bei der Ernte von Maschinenwesen, eine Göttin ist in eine Höhle verschwunden, ein Schamane auf einem Berg oder eine Oseram-Waffenschmiedin benötigt noch ein paar Ersatzteile, um Aloy eine richtig fette neue Waffe zu basteln.
Natürlich gibt’s da ganz grundsätzlich ein Logikproblem. Ich meine, da zieht jemand los, die Welt zu retten, und das gegen die Uhr, und dann kommt jemand und sagt „Irgendwo klemmt es mit unserer Wasserversorgung, könntest du dir das mal anschauen?“ Da müsste jede klar denkende Heldin natürlich sagen „Alter, wenn ich jetzt nicht Gas gebe, ist fehlendes Wasser bald dein kleinstes Problem“, aber nein, Aloy kümmert sich ganz entspannt um alles. Vermutlich würde die sogar noch Katzen vom Baum holen.
Aber davon abgesehen machen die ganzen kleinen Nebenmissionen schon Spaß. Und sind auch dringend notwendig, denn nur so bekommt ihr die notwendigen XPs, Level-Ups, Skills-Verbesserungen und neuen Waffen, um später eine Chance gegen die Maschinenwesen und Bossgegner zu haben
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Große Werkzeugkiste
Apropos neue Waffen und Werkzeuge – davon gibt es hier in der Fortsetzung so einige. Eine ganz deutliche Leihgabe bei Zelda Breath of the Wild ist zum Beispiel der Schildflügel, ein Energieschirm, mit dem Aloy lässig ins Tal segeln kann. Und neu sind auch die Atemmaske zum unbegrenzten Tauchen oder auch der Zugwerfer, ein Enterhaken, mit dem die Heldin tonnenschwere Steine und massive Stahlbalken erstaunlich locker bewegt und sich so neue Wege schafft. Überhaupt ist die Gimmick- und Waffenkiste wieder opulent gefüllt. Unmengen von speziellen Bögen mit noch spezielleren Pfeilen, Bolzenschussgeräte, Stachelwerfer, Wurfspeere, alle möglichen Arten von Fallen (die dieses Mal nicht ganz so übermächtig ausgefallen sind) machen die richtige Auswahl vor einem Kampf nicht leicht.
Jede dieser Waffen lässt sich zudem noch hochleveln und mit alternativen Angriffmodi ausrüsten, die allerdings erst im Skilltree noch freigeschaltet werden müssen. Das gilt auch für komplexere Nahkampfkombos und Specials wie den Mutstoß.
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Nahkämpfe: Na ja. Da halt.
Trotzdem arten die Nahkämpfe dann aber doch nur in wildes Gekloppe aus, was größtenteils an der unvorteilhaften Kamera liegt, die ihr selber ständig nachführen müsst, da es immer noch keine automatische Gegneraufschaltung gibt, aber auch an den Dauerattacken der jetzt noch schnelleren Kontrahenten, die euch gar keine Zeit für ausgefallene Moves lassen. Und schließlich steuert auch die überladene Tastenbelegung ihren Teil zum Kampfchaos bei: Bis ich per Steuerkreuz durch zig Gegenstände gescrollt habe, bis ich zum gewünschten Trank oder der gerade benötigten Falle komme, hat mich das Level 50 Maschinenmonster schon 3x geplättet – das hätte man auch besser lösen können.
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Kommt alles in die Kiste
Auch beim Sammeln und Craften haben sich die Entwickler ein wenig vergaloppiert. Praktisch jeden Meter stolpert man über Pflanzen, Steine oder Stöcke, die Aloy einsacken kann, dazu liefert jede erlegte Maschine Unmengen von brauchbaren Schrott, nicht zu vergessen die vielen gut gefüllten Vorratskisten, die geplündert werden wollen. Aber da die Entwickler da kein Limit a la „Dein Inventar ist voll“ gesetzt haben, sondern Tonne um Tonne einfach in Aloys Sammeltruhe transferieren (was ja eigentlich komplett unlogisch ist), schaut man schon bald gar nicht mehr hin, sondern klickt nur noch auf „alles mitnehmen“. Für irgendwas wird es schon gut sein, und wenn nicht, wird’s halt verkauft. Weniger ist manchmal doch mehr.
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Der Fokus und das Klettern
Unverändert gut, nützlich und spaßig ist Aloys „Fokus“, mit dem sie die Umgebung auf Klettermöglichkeiten, Gegner und Nützlichkeiten hin abscannen kann oder Infos über Feinde und deren Schwachpunkte bekommt. So eine Art Google Glasses für Superhelden.
Auch beim Klettern hilft wie gesagt der Fokus, zeigt er doch an, wo die nächsten Griffe oder Haken sind. Gegen die Kletterkünste Aloys wirkt Lara Croft wie ein Rentner in Sandalen und weißen Socken im Alpenvorland. Die Horizon-Heldin fliegt da mal eben 5 Meter senkrecht die Wand hoch zum nächsten Griff, was ja eigentlich weder anatomisch noch physikalisch auch nur annähernd möglich wäre. Aber nun gut, wer Realismus will, sollte Games eh meiden. Da ist es dann um so nerviger, wenn Aloy dann wiederum am nächsten Mäuerchen scheitert, weil hier ein Klettern im Spiel eben nicht vorgesehen ist und dir das Game sagt „Ey, du kommst hier nicht rauf“.
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Rate mal (aber nicht vorsagen!)
Nun ist aber nicht alles nur Kampf, Klettern und Action in Horizon Forbidden West. Neben langen, gut gemachten Dialogen gibt’s hin und wieder auch kleinere Rätseleinlagen. Besonders gelungen sind da die Reliktruinen, die immer einen ganz besonderen Gegenstand verbergen. Der Weg dorthin ist dann gepflastert mit kleinen, aber feinen Denksportaufgaben. Und auch sonst wäre eigentlich Köpfchen gefragt, wenn es mal wieder nicht weiter geht -wäre da nicht Aloy mit ihrer vorlauten Klappe, die fast jeden Lösungsweg laut herausposaunt. „Wenn ich mich da hochziehe, könnte es klappen“ oder „Dort hinten ist ein Vorsprung“ – plappert sie ungefragt los. Da denkt man so manches mal „Ach, halt doch bitte mal die Klappe, ich will auch mal Spaß haben.“
(Copyright: Sony / Guerilla Games)
Fazit
Aber das sind alles Kleinigkeiten, die durch das fabelhafte Gameplay mehr als wettgemacht werden. Die Jagd auf die fantastischen Maschinenwesen – die man entweder rabiat frontal oder schleichend hinterrücks erlegt – die feinen Nebenquests, die Entdeckung der immer neuen Landschaften, die fein gezeichneten Figuren mit ihren Geschichten, die vielen Freiheiten, die mir das Spiel lässt, die neuen Gadgets, Skills und Waffen, die Arenen und Nahkampfarenen zum Üben – das alles macht auch die Fortsetzung von Horizon wieder zu einem beeindruckenden Erlebnis. Klar, der Überraschungseffekt der ersten Story ist weg, hier bleibt das große Aha-Erlebnis aus. Aber so ist das nun mal mit Fortsetzungen. Langweilig wird das aber nie, auch nach 50 oder 100 Stunden nicht, dafür sorgen schlussendlich auch hier wieder große epische Momente. Das ist die großartige Fortsetzung eines ohnehin schon großartigen Games.
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