Review 200519 Pandemie-Games

Pandemie-Endzeitgames

Irgendeine Seuche ist immer...

Wir leben in unwirklichen Zeiten. Bilder mit Kühllastern voller Leichen, medizinisches Personal am Limit und menschenleere Straßen dominierten in den letzten Wochen die Nachrichten, bei uns Menschen auf Abstand und mit Masken in Straßenbahnen und Geschäften. Zumindest die, die kapiert haben, worum es geht und die ihr Wissen nicht auf der Youtube-University erworben haben. Da kommt man sich zuweilen schon mal vor wie in einem Film oder Videospiel. Denn hier sind jede Art von Endzeit-Szenarien ja besonders beliebt. Ob Atomkrieg, Pandemie, Alien-Überfall oder Klima- und Naturkatastrophen: alles war schon dutzendfach die Basis für ein postapokalyptisches Setting. Werfen wir doch heute mal einen Blick auf einige gelungene und weniger gelungene Vertreter dieses beliebten Genres, bei denen eine Pandemie der Ursprung der Katastrophe ist.


Der Urvater: Resident Evil

Urvater der pandemischen Endzeitgames ist Resident Evil. Die Biowaffenforschung des Umbrella Konzerns läuft aus dem Ruder, die Bevölkerung wird mit einem Virus infiziert und mutiert zu Monstern, die dann den Helden, die Umbrella das Handwerk legen wollen, ans Leder gehen. Womit die Story ja Wasser auf die Mühlen aller Verschwörungstheoretiker ist, die schon immer wussten, dass hinter dem Coronavirus schwarze Machenschaften stecken. Und nur die wissen dann sicher auch den gut versteckten geheimen Hinweis im ersten Teil zu deuten. Der nämlich erschien 1996. Addiert man die Zahlen, kommt auf 25, Quersumme 7. Was natürlich ein Hinweis auf Windows 7 und damit auf Bill Gates ist. Das kann doch kein Zufall sein! (Ironie off)

11 Teile sind bisher von der Survival-Horror-Reihe erschienen (also RE 1-7 plus 2 Revelations plus Code Veronica), mal mehr, mal weniger actionreich. Bester Teil der Reihe: Resident Evil 4 - mehr Action, klasse Missionen, selbst die Quicktimes waren nervenzerfetzend gut.
 

(Copyright: Capcom)
Die Dollargrippe: The Division

Ebenfalls erschreckend aktuell klingt die Hintergrundstory zum 2016 erschienen Loot Shooter „The Division“ von Ubisoft. Hier ist New York der Ausgangspunkt einer Epidemie namens „Dollar Grippe“. Die wurde entwickelt vom Wissenschaftler Dr. Gordon Amherst, um die Überbevölkerung einzudämmen und am Black Friday über Dollarnoten verbreitet. Der erste Teil glänzte zwar mit einer tollen und glaubhaften Kulisse, war aber spielerisch - trotz Koop-Spaß in der Dark Zone - noch eher dünn. Ein Manko, das Ubisoft dann im zweiten Teil gut ausgebügelt hat.

(Copyright: Ubisoft)
Ich glaube ich hab einen Pilz: The Last of Us

Nicht die Dollargrippe, sondern ein mutierter Cordiceps-Pilz, genauer: ein Ophiocordiceps unilateralis (könnt ihr googeln, den gibt’s tatsächlich) ist der Auslöser einer Pandemie im Action-Adventure The Last of Us. Binnen kurzer Zeit hat sich 60 Prozent der Menschheit infiziert und in Runner, Stalker, Clicker oder Bloater und damit in wandelnde Kannibalen verwandelt.

Im Mittelpunkt steht die 14-jährige Ellie, die der Schwarzhändler Joel zu einem Versteck der Rebellengruppe Fireflies bringen soll, weil man hofft, aus ihrem Blut ein Heilmittel gegen die Seuche herstellen zu können. Der Abgesang auf die PS3 - später erschien auch eine Remasterd-Version für die PS4 - war, nein ist, eins der besten und glaubhaftesten Endzeit-Epen ever. Düster, brutal, mit viel Abwechslung und großartigen Charakteren und Darstellern. Am 19. Juni wird dann der lang ersehnte zweite Teil erscheinen.
 

(Copyright: Sony/Naughty Dog)
Biker & Mutanten: Days Gone

Dass sich Erkrankte kurz nach ihrer Ansteckung  dann in Monster oder Zombies verwandeln, scheint in Videogames Pflicht zu sein. Was irgendwie einleuchtet, weil sich nun mal Schwerkranke auf der Intensivstation ja nun kaum als überzeugende Gegner für die jeweiligen Helden des Spiels eignen.

So auch im Action Adventure Days Gone. Hier hat ein unbekannter Erreger weltweit fast alles Leben ausgelöscht und Millionen von Menschen in Freaker, Krabbler, Kreischer und Brecher verwandelt - allesamt intelligenzlose, wilde Kreaturen, mehr Mensch als Tier und ziemlich aggressiv. Mittendrin der Biker und Ex-Outlaw Deacon St. John, der sich auf der Suche nach seiner verschollenen Ehefrau zusammen mit Kumpel Booze durch das mutantenverseuchte Oregon schlägt.

Trotz Zombie-Attitüde ist das im Frühjahr 2019 erschienene Game kein hirnloser Zombieklopper. Die Kämpfe erfordern Taktik, es wird viel gelootet und gelevelt, es gibt mehrere gute Geschichten und ordentliche Missionen und vor allem wird viel Mopped gefahren. Days Gone ist ein vielseitiger Action-Survival-Rollenspiel-Mix, mit einer riesigen schönen Spielwelt. Kein Jahrhundert-Hit, aber auch weit mehr als nur ein weiteres Open-World-Zombie-Game.
 

(Copyright: SIE Bend Studio)
Tollwut-Bezirk: Dying Light

Auch im Shooter Dying Light grassiert ein anfangs „mysteriöser Virus“, der dann später als „Harran Virus“ bezeichnet wird und angeblich eine schwere Mutation der Tollwut ist. Das ist dann Erklärung genug für die Unmengen von Zombies, die durch das Spiel wanken und dem US-Spezialagenten Kyle Crane das Leben schwer machen.

Die platte vorhersehbare Zombiestory lässt da zwar kein Klischee aus, dafür hat das Game aber spielerisch einige Überraschungen parat. So gibt es neben dem üblichen Survival, Hochleveln und Erforschen auch erfrischende Parcours-Elemente, die für einen ordentlichen Flow sorgen. Und weil auch Loot, Crafting und Spielewelt stimmen, kann man den Zombieklopper der etwas anderen Art aus dem Jahr 2015 ruhig auch heute noch mal rausholen. Eine Fortsetzung ist für Ende 2020 angekündigt.

(Copyright: Techland)
Der Klassiker: The Walking Dead

Beim Thema „Endzeitgame“ und „Zombies“ kommen wir natürlich nicht um „The Walking Dead“ herum. Auch hier hat ein Virus die Menschheit zombifiziert. Anfang 2020 hatte übrigens Robert Kirkman - der Erfinder der Walking Dead Comics, auf denen wiederum die Spieleserie von Telltale Games basiert (ja, richtig, auf den Comics, nicht auf der TV-Serie), also hatte besagter Herr Kirkman endlich die Katze aus dem Sack gelassen und erklärt, dass Sporen aus dem All für den Zombie-Virus verantwortlich waren.

Zwischen 2012 und 2019 erschienen insgesamt 4 Staffeln plus der Michonne-Spinoff plus die komplette Sammlung „The Telltale Definitive Series“. Mit seinen ungewöhnlich vielen Entscheidungsmöglichkeiten hatte das Game 2012 einen Trend begründet: Simple Rätsel, viele Dialoge, Quicktime-Events für dezente Action und Schlüsselszenen, die die Handlung leicht verändern. Die dann auch - zusammen mit den Charakteren - der Star der Walking Dead Games ist. Für Fans ein Must Have.

(Copyright: Telltale Games)
Mehr Zombie geht nicht: World War Z

Auf die Spitze getrieben wurde der ganze Zombiekram in World War Z. Das Spiel zum Film zum Buch verzichtet auf größere Handlungsstränge oder eine Erklärung für die Zombie-Pandemie, sondern klotzt einfach nur mit Heerscharen von Untoten: Bis zu 500 können da gleichzeitig den Bildschirm füllen. 

Die versucht ihr euch mit Kettensägen, Schusswaffen, Raketenwerfern und Granaten vom Leib zu halten. Vier Schauplätze (New York, Jerusalem, Moskau und Tokio), Erfahrungspunkte, Skilltrees und Klassen plus 4er-Koop und PvP ergeben zusammen mit den beeindruckenden Gegnerhorden zwar kein spielerisches Highlight, aber einen recht unterhaltsamen Zombieshooter.

(Copyright: Saber Interactive)
Verdammte Pest: A Plague Tale Innocence

Damit sollte es auch genügen mit den Zombiegames. Ja ich weiß, da sind noch State of Decay, DayZ, Arizona Sunshine, Left 4 Dead und gefühlt hundert weitere - alles Games, die sich nicht groß die Mühe machen, irgendwelche Hintergründe zu erklären, sondern die Verwandlung der Menschheit in Monster kurzerhand auf ein namenloses, unbekanntes Virus zurückführen.

Schauen wir uns stattdessen lieber noch ein paar andere Epidemie-Games an, die da etwas einfallsreicher zu Werke gegangen sind. Wie zum Beispiel das Mittelalter-Action-Adventure A Plague Tale: Innocence. Hier sind es ganz klassisch Ratten, die im Jahr 1348 die Pest über die Bewohner bringen und - neben den Kriegen - für Tod und Leiden sorgen. Das Game war einer der Überraschungserfolge des letzten Jahres, mit einer starken Geschichte, Figuren mit Tiefe, hochemotionalen Momenten und auch technisch ein Gedicht. Wie kein anderes Spiel schildert es sehr eindrücklich den Schrecken, den eine Pandemie (und auch der Krieg und die Inquisition) mit sich bringen.
 
(Copyright: Asobo Studio)
Im Matsch spielen: Dead Synchronicity

Ein Pandemie-Spiel der besonderen Art ist das Adventure Dead Synchronicity: Tomorrow comes Today aus dem Jahr 2015. Den Grund dafür herauszufinden, warum Menschen sich plötzlich in einen Haufen Blut und Matsch auflösen, ist das Ziel des Spieles aus Spanien, weshalb ich hier jetzt auch nichts darüber verraten will. Nur so viel: Es ist überraschend.

Der harte, expressionistische Grafikstil passt gut zu der düster-beklemmenden Geschichte. Leider sind die Rätsel eine Spur zu leicht, auch dürfte das Game gerne noch etwas länger sein. Wer ein Faible für deprimierende Settings hat und für Geschichten, die unter die Haut gehen, sollte es trotzdem versuchen. Und hey Daedalic: Seit dem Cliffhänger vor 5 Jahren warte ich da immer noch auf die versprochene Fortsetzung.


(Copyright: Daedalic)
Für Wissenschaftler und Epidemiologen: Plague Inc.

Zum Schluss noch ein „Spiel“ - oder besser eine Simulation, die sich seriös mit dem Thema Pandemie beschäftigt, nämlich mit „Plague Inc. Evolved“. Das Game hat zwar schon einige Jahre auf dem Buckel, war aber mit Erscheinen des Coronavirus wieder an die Spitze der Mobile Charts gesprungen. Hier das Virus nicht schmückendes Beiwerk, sondern quasi Hauptakteur. Ihr seid nämlich in der Rolle eines Krankheitserregers und müsst die Weltbevölkerung infizieren und wenn möglich komplett ausrotten. Dazu baut ihr mit Hilfe von Punkten - die Ihr z.B. für Neuinfektionen erhaltet - das Virus ständig um, um die Entwicklung eines Gegenmittels zu erschweren, sorgt für neue Verbreitungswege und dergleichen mehr.

Das Game wird laufend aktualisiert und mit neuen Krankheitserregern für neue Level gefüttert. Zum Teil sind das erdachte wie der Trump-Virus, der die Welt verblöden lässt oder eine Zombie-Pandemie, aber auch existierende - neuerdings auch das Coronavirus. Und das so realistisch, dass die Entwickler vor einigen Jahren sogar eingeladen wurden, vor dem CDC, dem Center for Disease Control and Prevention zu sprechen.

Wer also schon immer mal wissen wollte, wie und vor allem wie schnell sich eine Pandemie ausbreiten kann, und wie schnell die Sache bei einem exponentiellen Wachstum unkontrollierte durch die Decke gehen kann, der sollte sich dieses wissenschaftliche Simulationsgame mal anschauen. Vielleicht überzeugt es ja auch den ein oder anderen, der sein pandemisches Viertelwissen derzeit aus Youtube-Videos von Verfassern von veganen Kochbüchern, gescheiterten Radiomoderatoren und anderen strunzdämlichen Alumützenträgern bezieht. Aber ich fürchte, dass die Stimme der Vernunft auch auf spielerischem Wege nicht zu denen durchdringen wird.

(Copyright: Ndemic Creations)
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