Landwirtschafts-Simulator 22
Kräht der Bauer auf dem Mist...
2020 war es, als der Landwirtschaftssimulator 19 auf den Markt kam. Dementsprechend müsste 2021 dann ja der LS 20 erschienen sein. Aber was ist schon logisch in der Spieleindustrie. Und deshalb heißt auch der Landwirtschafts-Simulator, der Ende 2021 erschienen ist, nicht Landwirtschafts-Simulator 20, sondern Landwirtschafts-Simulator 22. Schon deshalb, weil die Version für Switch, die ebenfalls 2020 rausgekommen war, tatsächlich schon Landwirtschafts-Simulator 2020 hieß. Aber heißt der, der dann Ende 2022 erscheint, wieder Landwirtschafts-Simulator 21? Oder Landwirtschafts-Simulator 23? Verwirrend.
Zurück zum Spiel, zum Landwirtschafts-Simulator 22, oder kurz „LS 22“. Die LS-Reihe von Giants Software gehört bei uns mit zu den erfolgreichsten und beliebtesten Games überhaupt, die Fangemeinde ist groß und engagiert. Und natürlich äußerst gespannt, was sich gegenüber dem Vorgänger so alles getan hat. Also – ab aufs Feld, schauen wir mal rein. Getestet habe ich das Game übrigens auf der PS5.
(Copyright: Giants Software)
Darum geht es im Landwirtschafts-Simulator
Für all die, die den Landwirtschafts-Simulator tatsächlich noch nicht kennen, erkläre ich mal kurz, worum es da überhaupt geht. Ihr übernehmt einen kleinen Hof, baut Getreide, Gemüse und noch ein paar andere Sachen an, auf die ich gleich noch komme, könnt auch Vieh halten, kauft euch die passenden Gerätschaften (und die sind – nebenbei gesagt – mal so richtig teuer), dazu Dünger, Saatgut, Futter, Sprit für die Maschinen und mehr und verkauft am Ende eure Ernte gewinnbringend – oder nutzt sie in eigenen Produktionsketten und weiterverarbeitenden Betrieben. Wenn ihr klug und vorausschauend wirtschaftet, das Wetter mitspielt, ihr auf dem Acker alles richtig macht und auch die Preise nicht verrücktspielen, bleibt am Ende der Saison ein bisschen Geld übrig, dass ihr in den Ausbau des Hofes investieren könnt und neue Felder, Maschinen, Tiere oder was auch immer kauft.
(Copyright: Giants Software)
Landwirt – Illusion und Wirklichkeit
Als Stadtmensch hat man ja eigentlich kaum einen Plan davon, was ein Bauer aka Landwirt aka Agrarökonom alles leisten und investieren muss – sowohl an Zeit und Aufwand, aber auch an Geld. Du denkst, dein 3er BMW war teuer? Dafür bekommst du auf dem Hof gerade mal eine größere Schubkarre. Für einen Traktor mit ausreichend PS legt man locker schon mal 200.000 hin, ein Mähdrescher kostet locker das Doppelte, und selbst ein etwas größerer dreiachsiger Anhänger mit eigener Hydraulik kostet bereits gut 50 Mille. Und das ist erst der Anfang.
Ferkel streicheln und Ponyreiten – ja, so stellt sich der Städter das Landleben vor. Der Bauer fährt dann irgendwann mal eben für eine Stunde aufs Feld, schmeißt vom Traktor aus etwas Saatgut in die Furche, um dann ein paar Monate später mit dem Mähdrescher die fette Ernte einzuholen. Um in der Zwischenzeit Grashalm kauend im Schaukelstuhl zu sitzen.
Pustekuchen, da wird gemulcht, gegrubbert und gedüngt, Felder werden von Steinen befreit und gekalkt. Da gibt es Überladewagen, Scheiben- und Tiefeneggen, Pflüge, Schneidwerke, Feldhäcksler, Frontlader, Walzen, Forstmaschinen, Tiertransporter, Güllewagen, Spezialernter für Rüben, Trauben, Zuckerrohr, Baumwolle oder Kartoffeln, Sämaschinen, Tiefenlockerer, Spatenmaschinen, Striegl, Wender, Ballenpressen und Ballenwickler, Mist- und Düngerstreuer und dutzend andere Sachen mehr. Und einen Großteil davon werdet ihr irgendwann brauchen und richtig einsetzen müssen. Wird vor dem Grubbern gemulcht? Oder danach? Wann muss der Kalk aufs Feld, wann wird gewalzt, wann ist der richtige Zeitpunkt zum Säen und ernten, was fressen eigentlich Schweine und warum kippt mein Traktor dauernd um? All das lernt man mit der Zeit mit Hilfe des LS22.
(Copyright: Giants Software)
Traktor fahren
Für Neulinge noch zur Erklärung: All diese Gerätschaften und Maschinen sind im LS22 im Original vertreten, fast perfekt nachgebildet bis zur letzten Schraube, hier und da gibt’s lediglich einige Vereinfachungen, zum Beispiel bei den Anhängerkupplungen. Alle großen und auch viele kleine Hersteller sind da vertreten, wie Fendt, Claas, Bremer, Grimme, Horsch, Krone, John Deere, New Holland, Ferguson, Valtra und wie sie alle heißen. All diese Fahrzeuge dürft ihr selber steuern, entweder aus der Außenansicht oder vom gefederten Sitz aus direkt hinter dem Lenkrad. Und ja, es ist schon ein geiles Gefühl, in einem 600 PS-Großtraktor zu hocken, die Instrumente im Blick und hinter dir ein Ungetüm Grubber – das schlägt mit Abstand jedes Sportwagen-Feeling. Und wenn ihr es dann noch schafft, das Ungetüm samt Anhänger rückwärts in der Scheune einzuparken, ohne den halben Hof abzureißen, ist das die Krönung.
(Copyright: Giants Software)
Die Neuerungen im LS22: Jahreszeiten
Dann schauen wir mal, was der Landwirtschafts-Simulator 22 so alles an Neuerungen mitbringt. Ganz oben in der Liste ist da natürlich der Wechsel der Jahreszeiten, den es bisher nur als Mod auf dem PC gab. Habt ihr den im Menü aktiviert, müsst ihr eure Arbeitsabläufe danach ausrichten. Dann gibt es feste Ernte und Saatzeiten, und im Winter auch schon mal Tiefschnee, der geräumt werden muss.
Verpasst ihr den richtigen Zeitpunkt, weil ihr nicht auf den Fruchtsorten-Kalender mit den Erntezeiten geschaut habt, ist die komplette Ernte verfault und verschimmelt. Dumm gelaufen. Neu sind auch die Produktionsketten: Ihr könnt euch auch eigene weiterverarbeitende Betriebe bauen, wie etwa eine Molkerei, eine Schneiderei oder eine Ölmühle, in denen Ihr dann zum Beispiel Textilien, Olivenöl, Müsli, Kuchen oder Möbel herstellt und weiterverkauft. Das steigert euren Gewinn zum Teil erheblich, setzt aber auch zu Beginn größere Investitionen voraus. Zu den neuen Produktionsketten gehören jetzt auch Bienen für den Honig und Gewächshäuser, wo ihr Salat, Erdbeeren oder Tomaten anpflanzen könnt. Sofern ihr die mit ausreichend Wasser versorgt, garantieren die – dank automatischer Verkaufsoption – für fette, unkomplizierte Gewinne. Gut verdienen könnt ihr auch mit einer Solaranlage auf dem Hallendach oder mit kleinen und großen Windrädern. Gerade letztere müssen aber sehr lange laufen, bis sie sich amortisieren.
(Copyright: Giants Software)
Zu den weiteren Neuerungen gehört die Möglichkeit, nun auch manuell in den Fahrzeugen zu schalten, das zulässige Gesamtgewicht der Anhänger, die Tatsache, dass sich Grubbern und Pflügen endlich deutlich unterscheiden, auch erkennen Schneidwerke jetzt automatisch die Höhe des Untergrundes. Dazu kommen der neue Charakter-Editor und die verbesserten Helfer, die ihr engagieren könnt, um für euch die Fahrzeuge zu bedienen oder die Ernte zu transportieren.
Es sind auch neue Fruchtsorten mit den passenden Maschinen am Start. Neben der Hirse könnt ihr nun auch Oliven und Trauben anbauen und weiter verarbeiten. Außerdem sind neue Fahrzeuge, Geräte und Hersteller mit dabei, auch neue Gebäude sind jetzt verfügbar.
Maps und Tempo
Gespielt wird auf drei Maps, die jeweils etwa 2×2 km groß, also überschaubar sind. Da ist zum einen das im US-amerikanischen mittleren Westen gelegene fiktive Örtchen Elmcreek, dann das bereits aus dem LS19 Alpine-Addon bekannte bergige Erlengrat in der Schweiz und schließlich das hügelige, mediterrane Haut-Beyleron in Frankreich mit einer sehr abwechslungsreichen Landschaft.
Euer Spieltempo legt ihr selber fest. Ihr könnt im Menü angeben, wie viele Tage ihr in einem Spiele-Monat absolvieren wollt und auch in welcher Zeit die Tage ablaufen sollen: Soll eine Stunde in Wirklichkeit zwei dauern? Oder wollt ihr 24 Stunden in einer durchhecheln? Ihr könnt auch Tage komplett überspringen, falls es gerade nichts zu tun gibt, da gibt es nun keinen Leerlauf mehr. Oder auch eine ganze Jahreszeit, wenn es euch zu kalt ist.
(Copyright: Giants Software)
Sand im Traktor-Getriebe
Noch aber läuft lange nicht alles völlig rund beim LS22. Die Helfer kapitulieren, sobald sich etwas ihnen in den Weg stellt oder Felder nicht streng rechteckig sind, die Steuerung der Fahrzeuge ist am Gamepad ziemlich übel und manchmal gibt es – gerade beim Beladen – ziemlich merkwürdige Szenen. So fing mein 40 Tonner beim Beladen mit Baumwollballen z.B. plötzlich an, wilde Salti zu schlagen, und mein Gabelstapler landete bei einer ähnlichen Situation – als ich gerade eine Palette Eier auf meinen Pickup laden wollte – nach irren Kapriolen im Hühnerstall, wo ich ihn nicht mehr herausbekam. Auch wäre ein aussagekräftigeres Tutorial extrem hilfreich. Vieles muss man sich hier selber erarbeiten oder in Youtube Videos abschauen. Blöd ist allerdings, dass es nur einen Spielstand pro Spiel gibt; wenn ich also etwas vergeigt habe, kann ich nur zu diesem einen Spielstand zurück und nicht noch weiter. Eine seltsame, überflüssige Designentscheidung.
Zum Glück kann ich aber auch viele Simulationsaspekte abschalten, wie Steine auf dem Feld, notwendiges Kalken, der Wechsel der Jahreszeiten, Handschaltung, Zerstörung der Felder beim versehentlichen Überfahren und vieles mehr. So kann man den LS22 schön an die eigenen, anfangs doch sehr begrenzten Fähigkeiten, anpassen und später dann immer mehr hinzunehmen.
(Copyright: Giants Software)
Multiplayer und Technik
Der beliebte Multiplayer ist wieder mit dabei; erstmals funktioniert der auch Plattform übergreifend – PC- und Konsolenspieler können also gemeinsam antreten. Wird auf dem PC gehostet, können bis zu 16 Jungbauern und Bäuerinnen zusammen die Felder bestellen – was richtig Laune macht – auf der Konsole sind es (glaube ich) bis zu sechs. So jedenfalls auf meiner PS5.
Technisch hat der LS gut zugelegt, vor allem die Fahrzeuge sehen jetzt noch besser aus, aber auch das Wetter und die Böden wurden überarbeitet. So richtig gut kommen auch die Animationen rüber, wenn sich etwa eine Saatmaschine entfaltet, das Schneidwerk des Dreschers wirbelt oder der Pflug durch den nassen Boden zimmert und die Erdbrocken zur Seite fliegen. Insgesamt kein grafischer Überflieger und an manchen Stellen immer noch arg simpel, aber insgesamt ist das schon ok.
(Copyright: Giants Software)
Fazit
Giants Software hat keine Experimente gemacht, sondern das bewährte LS-Prinzip an den richtigen Stellen verfeinert und durch einige neue Features wie Jahreszeiten und Produktionsketten weiter ausgebaut. So ist es wieder eines dieser Spiele, in die man eigentlich nur mal eben reinschauen wollte, dann aber stundenlang davor hängen bleibt, weil es noch so viel zu tun, zu planen und zu sehen gibt. Und zudem ist es unglaublich entspannend und befriedigend, abends einfach mal ein Feld abzuernten, einen Hektar Kartoffeln auszusähen oder den virtuellen Hühnern beim Picken zuzuschauen. Vor allem ist es aber auch ein herrliches Spielzeug für alle großen Jungs, die ihre heimliche Liebe zu Traktoren, großen Baggern und riesigen Maschinen hier hemmungslos und ganz stressfrei ausleben dürfen. Für den Landwirtschafts-Simulator lasse ich Battlefield 2042 gerne mal liegen.
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